Tanz der Dämonen
fand ich. La Lupa hatte es unterlassen, mir Schminke zu geben.
»Damit muss man sich auskennen«, hatte sie gesagt. Aber es gibt andere Mittel. Eines davon wandte ich jetzt an. Ich kniff leicht in meine Wangen und presste die Zähne auf die Lippen, erst an der Unterlippe, dann oben. Die Rötung, die dadurch entstand, würde ausreichen müssen.
Und das Haar? La Lupa hatte es gescheitelt und im Nacken zu einer Flechte geschlungen; darüber zog sich ein feines Netz, das mit Perlen besetzt war. Das alles saß nicht mehr ganz so, wie es vorgesehen war. Doch konnte ich es so weit wieder herstellen, dass es, glaube ich, ihre Billigung gefunden hätte.
Das Kleid – ja, das war so eine Sache. Sollte ich etwa …? Nein, mir fehlte der Mut.
Ich zog die Klingelschnur. Mein Herz klopfte.
Die Tür schwang auf.
Ich holte noch einmal tief Luft, hob den Kopf und schritt hinaus, so gemessen, wie ich es vermochte. Aber im letzten Moment, bevor ich in den Kerzenschimmer trat, schoss mir erneut jener Gedanke durch den Kopf, den ich zuvor so weit von mir gewiesen hatte. Nun ritt mich der Trotz, und ohne weiter nachzudenken, so wie man gelegentlich zum eigenen Erstaunen genau das Gegenteil dessen tut, was man sich vorgenommen hat, ließ ich der Laune des Augenblicks freien Lauf und traf meine Entscheidung. Ich handelte gänzlich nach dem Impuls, griff an den Brusteinsatz, zog die verborgene Schnur und raffte mit einer schnellen Bewegung das Tuch hinweg.
Dies tun und darüber erschrecken war eins. Mein Gott, welche Torheit! Hatte ich völlig den Verstand verloren? Ich war so gut wie entblößt – so jedenfalls kam es mir vor. Doch im selben Atemzug war mir klar, dass es kein Zurück mehr gab. Ich stand schon im Empfangsraum, und aus dem erleuchteten Festsaal tönte Musik. Jetzt nur nicht zögern und vor allem keine Schwäche zeigen!
Entschlossen setzte ich einen Fuß vor den anderen, würdigte den Wachoffizier am Saaleingang kaum eines Blickes und ließ mich dem Glanz entgegentreiben. Da bemerkte ich, dass ich erwartet wurde. Der Graf, der Majordomus, falls wirklich das bei Hof sein Titel war, trat auf mich zu, nahm mit einer Verbeugung meinen Arm und begleitete mich in den Saal, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.
Dabei sah er mich – unauffällig, wie er wohl glaubte – von der Seite an, und ich vermutete, er sei über meine Erscheinung verwundert. Ob er wohl überlegte, woher er mich kannte? Zerbrich dir nur den Kopf! Da wirst du nicht drauf kommen!
Zugleich regte sich aber von neuem ein Zweifel in mir. Wusste er wirklich nicht, wer ich war? Konnte es denn ein Zufall sein, dass ich ihn hier traf?
Ich kam nicht dazu, über diesen Mann und diese Probleme weiter nachzudenken, denn plötzlich ging alles sehr schnell. Ich fühlte mich wie in einem Strudel aus Licht und Gestalten, ausStimmengemurmel und Musik, unversehens befanden wir uns mitten im Saal, die Musik brach ab, und ich stand vor dem Kaiser.
Seine Majestät blickte mir mit einem Anflug von Zweifel entgegen. War es die Blöße meiner Schultern, die ihn befremdete? Oder hatte ich, indem ich sie enthüllte, etwas getan, das bei ihm neue Erinnerungen heraufbeschwor? Unerwartete Empfindungen? Jedenfalls stutzte er und schien für einen Augenblick verwirrt. Dann jedoch siegte offenkundig seine Geistesgegenwart, und er bewies die wohl tausendfältig geübte Fertigkeit, niemanden hinter seine Stirn blicken zu lassen – was auch geschehen mochte.
Er räusperte sich und gab seinem Höfling einen Wink.
»Ich nehme mich selbst des Fräuleins an«, sagte er. »Überlasst sie getrost – meiner Obhut.«
Der Blick des Höflings sprach Bände, als er sich verneigte und beiseite trat.
Ich glaubte ihn zu durchschauen.
Oh, nein!, dachte ich, diebisch vergnügt. Mit dem, was du jetzt denkst, bist du im Irrtum!
Der Kaiser wies mich an seine Seite, und das Defilieren der Gäste begann. Es traf mich mehr als nur ein fragender Blick, und mancher verriet Misstrauen. Die gelassene Haltung des Kaisers brach aber allem die Spitze ab und verbot jegliche Frage, die jemandem auf der Zunge liegen mochte.
»Sire, es – es ist mir eine große Ehre!«, brachte ich heraus.
Er überging die Ungeschicklichkeit meiner Ausdrucksweise, beugte sich leicht zu mir herüber und sagte: »Hab keine Sorge, mein Kind. Es ist allerdings einige Zeit her, dass ich eine Schönheit wie dich an meiner Seite gehabt habe …«
Also wirklich, ich schwöre es: So hat er das gesagt. Ich errötete
Weitere Kostenlose Bücher