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Tanz der Dämonen

Tanz der Dämonen

Titel: Tanz der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Westfehling
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Gedanken versunken. Stille trat ein. Ich hörte meinen Atem und das Ticken einer Uhr. War es nicht so, dass kostbare Uhren eine Leidenschaft dieses Herrschers waren? Irgendwo hatte ich das gehört. Die Uhr, die auf seinem Tisch stand, war mit vergoldeten Götterfiguren besetzt. Im Lauf der Stunden rückte Kronos, der Greis mit der Sichel, an Amor heran, verdeckte ihn und gab ihn wieder frei. Das war gewiss von tiefgründiger Bedeutung. Die Liebe besiegt die Zeit, so mochte es wohl heißen. Oder war es eher umgekehrt?
    Wie tief ließ mich dieser Mann tatsächlich in sein Herz blicken? Und warum?
    Ich schreckte auf, als seine Stimme wieder erklang: »Du siehst deiner Mutter sehr ähnlich. Die mir das berichtet haben, haben Recht. Das ist der Grund, weshalb ich dich habe rufen lassen, und auch der Grund, weshalb ich den Wunsch hege, dass du noch nicht gehst. Du erneuerst in mir eine vergrabene Erinnerung. Eine Erinnerung, die mir etwas bedeutet.«
    »Ihr – Ihr wollt, Sire, dass ich bleibe?«
    »Es ist nur ein Wunsch. Für diesen Abend. Ich habe Gäste, ein Bankett mit einigen Gesandten. Deswegen bin ich hier. Alle Welt glaubt mich längst auf dem Weg nach Lüttich. Dies ist ein geheimes Treffen. Ich muss dich bitten, niemandem etwas darüber zu verraten. Und, ähem … Ich habe keine Dame an meiner Seite.«
    Ich überlegte.
    »Und mein Vater, ist er in Köln?«
    »Er hat Aufgaben für mich zu erfüllen, und indem er das tut – und gut zu tun pflegt, hat er sich den Dank seines Kaisers verdient.Gerade jetzt bin ich sehr auf ihn angewiesen. Ich erwarte ihn zum Bericht.«
    »Und – Sire – nun … es ist keine Gefahr dabei für ihn oder für mich?«
    »Gefahr? Du meinst eine Falle?« Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. »Höre«, sagte er, »hört, Fräulein van der Weyden, mir geht es um nichts anderes als das, was ich gesagt habe. Euer Vater ist mir ein wertvoller Helfer, ein Helfer, den ich nicht entbehren möchte. Ich weiß wohl, dass es Dinge gibt, die man ruhen lassen soll. Vergangene Dinge will ich nicht aufrühren, wenn ich es nicht tun muss. Versteht Ihr? Also soll man mich nicht zwingen, zu tun, was ich nicht will. Möge er das ebenso bedenken wie ich und nichts tun, was meine Meinung über seine Person umstürzen müsste. Was Eure Sorgen angeht, so habt Ihr mein Wort, und das Wort ist das Wort, sei es nun von einem Kaiser oder von einem anderen Mann.«
    »Sire, Ihr zürnt mir. Ihr redet mich nicht mehr so an wie zuvor.«
    »Ich zürne keineswegs. Aber ich habe noch einen Wunsch, Kind, nämlich dass du deinen Vater wissen lässt, was ich über ihn gesagt habe. Wirst du ihm das von mir ausrichten?«
    »Ich will es tun, Sire.«
    »Und noch etwas: Heute Abend, vor den Gästen bist du die, als die ich dich eben angeredet habe.«
    »Das leuchtet mir ein. Ich – werde es zu schätzen wissen, Sire.«
     
    Bei einer Begegnung mit den Großen der Welt, wie ich sie hier erlebte, fällt es einfachen Menschen, die sich in der Sprache des Hofes nicht auskennen, nicht nur schwer, ihre Worte zu wählen, sondern auch zu verstehen, was man ihnen bedeuten will. So ging es mir jetzt. Ich spürte, dass der Monarch die Unterredung beenden wollte, aber es schien mir, dass er selbst ein Problem damit hatte, die rechte Form dafür zu finden. Ich nehme an, dass gängigerweise der Empfang einer Person, die außerhalb der Staatsregierung und des Hofes stand, im Beisein von Wachen, Dienern und anderenHöflingen stattzufinden hatte. Dann war zweifellos ein Zeremoniell gegeben, das jedes Wort und jeden Schritt genauestens festlegte. Mit dieser Etikette umgeben sich die Herrschenden wie mit einem Panzer, und der hilft ihnen wohl auch, die Unnahbarkeit ihrer Stellung zu wahren. Nun aber hatte der Kaiser gewünscht, aus Gründen, die mir teilweise klar geworden waren, dieses seltsame Fräulein van der Weyden unter vier Augen kennen zu lernen. Das war vermutlich eine Sache, die für ihn nicht weniger ungewöhnlich war als für mich. Und so befand er sich am Ende in einer gewissen Hilflosigkeit, aus der ich ihn gerne erlösen wollte.
    »Ich b-bitte Euch, Sire, mich z-zurückziehen zu dürfen«, stotterte ich. Er blickte mich an und erteilte mir mit einem Nicken die Erlaubnis. Plötzlich sah ich mich wieder der Maske der Majestät gegenüber. Es war ihm vermutlich sehr recht, dass er sich wieder dahinter verbergen konnte. Dennoch hatte ich den Eindruck eines gewissen Zögerns. Hatte er noch etwas hinzufügen wollen, das er dann doch

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