Tanz der seligen Geister (German Edition)
dass so etwas für sie völlig neu war; keine Männer, die ihr Geld mit körperlicher Arbeit verdienten. Den ganzen Samstag und Sonntag lang arbeiteten sie so, damit es in ein, zwei Jahren grüne Terrassen gab, Natursteinmauern, wohlgeformte Blumenbeete und dekorative Ziersträucher. Die Erde ließ sich bestimmt nur schwer umgraben; es hatte letzte Nacht und heute Morgen geregnet. Aber der Tag wurde heller; die Wolken waren aufgerissen und gaben ein langes, dünnes Dreieck Himmel frei, dessen Blau noch kalt und zaghaft war, eine Winterfarbe. Auf der einen Seite der Straße standen hinter den Häusern Kiefern, deren gewichtige Symmetrie kaum von einem Wind gestört wurde. Sie sollten dieser Tage abgeholzt werden, um einem Einkaufszentrum Platz zu machen, dass beim Verkauf der Häuser zugesagt worden war.
Unter der Struktur dieser neuen Wohnsiedlung war immer noch etwas anderes zu sehen, nämlich die alte Stadt, die Stadt mitten in der Wildnis, die am Hang des Berges gelegen hatte. Sie musste eine Stadt genannt werden, denn es hatte Straßenbahnlinien in den Waldhinein gegeben, die Häuser hatten Hausnummern gehabt, und unten am Wasser hatten all die öffentlichen Gebäude gestanden, die eine Stadt braucht. Aber Häuser wie das von Mrs. Fullerton waren voneinander durch alten Hochwald und ein Gestrüpp aus Brombeer- und Himbeersträuchern getrennt gewesen; diese überlebenden Häuser, aus deren Schornsteinen dicker Rauch aufstieg, deren Wände ungestrichen und geflickt waren und sämtliche Stadien der Alterung und Verschmutzung aufwiesen, mit verwitterten Schuppen und Holzstapeln und Komposthaufen und grauen Bretterzäunen ringsum – sie standen vereinzelt zwischen den großen neuen Häusern vom Mimosa und Marigold und Heather Drive – düster, umzingelt, legten sie mit ihrer Unordnung und den steilen, nicht aufeinander abgestimmten Winkeln der Dächer von Haus und Anbauten so etwas wie Wildheit an den Tag; unmöglich in diesen Straßen, aber da.
»Wovon reden sie?«, fragte Edith, die weiteren Kaffee aufsetzte. Sie war in ihrer Küche von den Resten des Geburtstagsfestes umgeben – Torte und Wackelpeter und Kekse mit Tiergesichtern. Ein Luftballon kullerte über den Boden. Die Kinder hatten gegessen, für die Blitzlichtaufnahmen posiert und die Geburtstagsspiele über sich ergehen lassen; jetzt spielten sie in den hinteren Zimmern und im Keller, während ihre ElternKaffee tranken. »Wovon reden sie da drin?«, fragte Edith.
»Ich hab nicht zugehört«, sagte Mary, in der Hand hielt sie das leere Sahnekännchen. Sie trat ans Küchenfenster. Der Spalt zwischen den Wolken hatte sich weit geöffnet, und die Sonne schien. Das Haus kam ihr zu warm vor.
»Bestimmt von Mrs. Fullertons Haus«, sagte Edith und eilte zurück ins Wohnzimmer. Mary wusste, worüber sie redeten. Die Gespräche ihrer Nachbarn, sonst nicht beunruhigend, konnten jederzeit an diesem Thema hängen bleiben und dann mit endlosen Beschwerden bedrohlich darum kreisen, was sie veranlasste, hilfesuchend aus Fenstern zu schauen oder in ihren Schoß, bemüht, wunderbar erklärende Worte zu finden, die dem ein Ende machten; was ihr nie gelang. Sie musste zurück; man wartete auf die Sahne.
Ein Dutzend Frauen aus der Nachbarschaft saßen im Wohnzimmer, hielten gedankenverloren die Luftballons fest, die ihre Kinder ihnen anvertraut hatten. Da die Kinder in dieser Straße noch so klein waren, und auch, weil jede Zusammenkunft der Leute, die hier wohnten, als etwas Gutes galt, wurden die meisten Kindergeburtstage nicht nur von den Kindern, sondern auch von den Müttern besucht. Frauen, die sich jeden Tag sahen, trafen sich nun, angetan mit Ohrringen, Nylonstrümpfen und Röcken, die Haare frisch frisiert unddie Gesichter geschminkt. Einige der Männer waren auch da – Steve, das war Ediths Mann, und andere, die er auf ein Bier hereingebeten hatte; alle trugen ihre Arbeitskleidung. Das gerade angeschnittene Thema war eines der wenigen, bei dem sich männliche und weibliche Interessen begegneten.
»Ich sage euch, was ich tun würde, wenn das bei mir nebenan wäre«, sagte Steve und strahlte wohlwollend, weil er Gelächter erwartete. »Ich würde meine Kinder hinschicken, damit sie drüben mit Streichhölzern spielen.«
»Sehr komisch«, sagte Edith. »Aber das ist nicht mehr komisch. Du reißt Witze, ich versuche, was zu unternehmen. Ich habe sogar bei der Stadtverwaltung angerufen.«
»Was haben die gesagt?«, fragte Mary Lou Ross.
»Also ich habe
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