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Tanz der seligen Geister (German Edition)

Tanz der seligen Geister (German Edition)

Titel: Tanz der seligen Geister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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vielleicht bewies ihm die Welt da draußen allein mit diesem Herumgelaufe, Herumgefahre, irgendwohin, wie absurd sie war. Man sieht diese Anschauung auf den Gesichtern von Menschen, die in so manchen Kleinstädten aus dem Fenster gucken oder vor der Tür sitzen; tiefste Gleichgültigkeit spricht aus ihnen, als verfügten sie über Quellen der Enttäuschung, die sie mit einiger Selbstzufriedenheit für sich behalten.
    Es gab nur eine einzige Kellnerin, ein pummeliges Mädchen, das sich auf den Tresen lehnte und an dem Lack auf ihren Fingernägeln kratzte. Als der meiste Lack vom Daumennagel ab war, hielt sie den Daumen gegen die Zähne und rieb den Nagel gedankenverloren hin und her. Wir fragten sie nach ihrem Namen, aber sie antwortete nicht. Zwei oder drei Minuten später kam der Daumen aus dem Mund, sie inspizierte ihn und sagte: »Verrat ich nicht, müsst ihr raten.«
    »Gut«, sagte George. »Was dagegen, wenn ich Mickey zu Ihnen sage?«
    »Mir doch egal.«
    »Weil Sie mich an Mickey Rooney erinnern«, sagte George. »He, wo geht man in dieser Stadt hin? Wo gehen alle hin?« Mickey hatte uns den Rücken zugekehrt und filterte Kaffee. Wie es aussah, hatte sie nicht vor, sich weiter zu unterhalten, also wurde George etwasnervös, wie immer, wenn ihm bevorstand, den Mund halten oder allein sein zu müssen. »He, gibt’s in dieser Stadt keine Mädchen?«, fragte er beinahe wehleidig. »Gibt’s keine Mädchen oder Tanzdielen oder irgendwas? Wir sind fremd hier«, sagte er. »Können Sie uns nicht ein bisschen helfen?«
    »Tanzdiele unten am Strand hat Anfang September dichtgemacht«, sagte Mickey kühl.
    »Gibt’s noch andere Tanzdielen?«
    »Gibt heute einen Tanzabend draußen in der Wilson-Schule«, sagte Mickey.
    »So was Altmodisches? Nein, das altmodische Zeug kann ich nicht ab. Die Herren links und so, das hatten wir unten im Kellergeschoss der Kirche. Alle schwenkt  – das kann ich nicht ab. Im Kirchen keller«, sagte George, seltsam verärgert. »Du kannst dich nicht dran erinnern«, sagte er zu mir. »Bist zu jung.«
    Ich hatte zu der Zeit gerade die Highschool beendet, und George arbeitete schon seit drei Jahren in der Herrenschuhabteilung eines Kaufhauses, das unterschied uns. In unserer Heimatstadt hatten wir uns allerdings nie umeinander gekümmert. Jetzt waren wir zusammen, weil wir uns an einem fremden Ort unerwartet begegnet waren und weil ich ein bisschen Geld hatte, während George pleite war. Außerdem hatte ich das Auto meines Vaters, und George befand sich in einer Phase zwischen zwei Autos, was ihn immer einwenig empfindlich und unzufrieden machte. Also musste er diese Gegebenheiten, die ihm unangenehm waren, ein wenig ummodeln. Ich spürte förmlich, wie er eine hinreichende Menge guter, kameradschaftlicher Gefühle fabrizierte und mich zum guten alten Dick, dem prima Kerl, aufbaute – was nicht weiter von Belang war, zumal ich meinerseits, wenn ich ihn so betrachtete, zart, blond, schweinchenrosa und hübsch, noch nackt um den hellroten Mund, mit überraschten, zornigen Falten, die häufige Ratlosigkeit in seine Stirn zu graben begann, keinerlei Neigung verspürte, ihn zum guten alten George zu küren.
    Ich war an den See gefahren, um meine Mutter aus einem Erholungsheim für Frauen nach Hause zu holen, einer Einrichtung, die ihnen Fruchtsäfte, Quark und frühmorgendliche Bäder im See zum Abnehmen anbot, dazu offenbar etwas Religion, denn eine kleine Kapelle gehörte auch dazu. Meine Tante, die Mutter von George, hielt sich ebenfalls dort auf, und George traf ungefähr eine Stunde nach mir dort ein, nicht um seine Mutter nach Hause zu holen, sondern um ihr Geld aus dem Kreuz zu leiern. Er kam mit seinem Vater nicht besonders gut aus, und er verdiente nicht viel in der Schuhabteilung, also war er sehr oft klamm. Seine Mutter sagte, sie werde ihm etwas leihen, wenn er über Nacht bliebe und am nächsten Tag mit ihr in die Kirche ginge. George versprach es. Dann hauten George undich ab und fuhren eine halbe Meile weit am See entlang in diese Kleinstadt, die wir beide noch nie gesehen hatten und in der es, meinte George, bestimmt von Schwarzbrennern und Mädchen wimmelte.
    Es war ein Städtchen mit ungepflasterten, breiten, sandigen Straßen und kahlen Grundstücken. Nur robuste Pflanzen wie rote und gelbe Kapuzinerkresse oder ein Fliederstrauch mit braunen, zusammengerollten Blättern wuchsen aus diesem aufgeplatzten Boden. Die Häuser standen weit auseinander, mit eigenen Pumpen,

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