Tanz der seligen Geister (German Edition)
Schuppen und hinten einem Plumpsklo; die meisten waren aus Holz und grün, grau oder gelb angestrichen. Die einzigen Bäume, das waren große Weiden oder Pappeln mit Laub grau von Staub. Entlang der Hauptstraße gab es keine Bäume, nur Flächen mit hohem Gras, Löwenzahn und aussamenden Disteln – Brachland zwischen den Läden. Das Rathaus war überraschend groß, mit einer mächtigen Glocke in einem Turm, die Backsteine leuchteten fast grell inmitten der verblichenen, in blassen Farben angestrichenen Holzhäuser. Das Schild neben der Rathaustür besagte, dass es ein Denkmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten war. Wir tranken vom Springbrunnen davor.
Eine Weile lang fuhren wir die Hauptstraße rauf und runter, George sagte immer wieder: »Was für ein Kaff! Gott, was für ein Kaff!« und »He, schau mal da! Nee, doch nicht so gut.« Die Menschen auf den Straßen waren auf dem Heimweg zum Abendessen, die Häuser mit den Läden warfen tiefe Schatten über die Straße, und wir gingen in Pop’s Café.
»He«, sagte George, »gibt’s noch ein anderes Restaurant in dieser Stadt? Hast du noch ein anderes Restaurant gesehen?«
»Nein«, sagte ich.
»In jeder anderen Stadt, die ich kenne«, sagte George, »hängen Weiber aus den Fenstern oder sogar von den Bäumen. Nur hier nicht. Herrgott! Wahrscheinlich ist die Saison so gut wie vorbei«, sagte er.
»Willst du ins Kino oder so was?«
Die Tür ging auf. Ein Mädchen kam herein, spazierte zum Tresen und setzte sich auf einen Barhocker, mit hochgeschürztem Rock. Sie hatte ein langes, schläfriges Gesicht, keinen Busen und krause Haare; sie war blass, fast hässlich, aber sie hatte diese unerklärliche Aura der Sexualität. Das Gesicht von George hellte sich auf, wenn auch nicht sehr. »Lass mal«, sagte er. »Das tut’s auch. Zur Not, wie? Zur Not.«
Er ging ans Ende des Tresens, setzte sich neben sie und fing an zu reden. Nach ungefähr fünf Minuten kamen sie zu mir an den Tisch, das Mädchen trank Orangenlimo.
»Das ist Adelaide«, sagte George. »Adelaide, Adeline – Süße Adeline. Ich werde Süße A zu ihr sagen, Süße A.«
Adelaide sog an ihrem Strohhalm und hörte kaum hin.
»Sie ist noch nicht verabredet«, sagte George. »Du bist doch noch nicht verabredet, oder?«
Adelaide schüttelte leicht den Kopf.
»Hört bloß halb zu«, sagte George. »Adelaide, Süße A, hast du Freundinnen? Hast du irgendeine nette kleine Freundin für Dickie? Zum Ausgehen, du und ich und sie und Dickie?«
»Kommt drauf an«, sagte Adelaide. »Wo wollt ihr hin?«
»Wo du willst. Ein Stück fahren. Vielleicht zum Owen Sound.«
»Habt ihr ein Auto?«
»Klar haben wir ein Auto. Komm schon, du musst doch eine nette kleine Freundin für Dickie haben.« Er legte den Arm um das Mädchen und spreizte die Finger auf ihrer Bluse. »Komm mit raus, und ich zeig dir das Auto.«
Adelaide sagte: »Ich kenne ein Mädchen, das vielleicht mitkommt. Der Junge, mit dem sie geht, ist verlobt, und seine Verlobte ist hergekommen und wohnt bei ihm am Strand, im Haus von seinen Eltern, und …«
»Sehr in-te-ressant«, sagte George. »Wie heißt sie? Los, wir fahren hin und holen sie ab. Willst du hier den ganzen Abend rumsitzen und Limo trinken?«
»Ich bin fertig«, sagte Adelaide. »Vielleicht kommt sie nicht mit. Ich weiß nicht.«
»Warum nicht? Lässt ihre Mutter sie im Dunkeln nicht raus?«
»Nö, sie kann tun, was sie will«, sagte Adelaide. »Bloß manchmal will sie nicht. Ich weiß nicht.«
Wir gingen hinaus und stiegen ins Auto, George und Adelaide hinten. Auf der Hauptstraße fuhren wir nicht weit vom Café an einem dünnen blonden Mädchen vorbei, das Hosen trug, und Adelaide rief: »He, stopp! Das ist sie! Das ist Lois!«
Ich hielt an, George steckte den Kopf aus dem Fenster und pfiff. Adelaide johlte, und das Mädchen kam ohne Zögern, aber auch ohne Eile zum Auto. Sie lächelte kühl und höflich, als Adelaide ihr alles erklärte. George zeterte dazu: »Beeilt euch, los, steig ein! Wir können im Auto reden.« Das Mädchen lächelte, sah eigentlich keinen von uns an, und ein paar Augenblicke später machte sie zu meiner Überraschung die Tür auf und glitt ins Auto.
»Ich hab nichts weiter vor«, sagte sie. »Mein Freund ist nicht da.«
»Ach, ja?«, sagte George, und ich sah im Rückspiegel, wie Adelaide ein böses, warnendes Gesicht zog. Lois schien ihn nicht gehört zu haben.
»Wir fahren erst mal bei mir vorbei«, sagte sie. »Ich war gerade Cola
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