Tanz der Sterne - Unter dem Weltenbaum 03
Bruderführer trug zu diesem traurigen Anlaß seine kirchliche Amtstracht. Hinter ihm befand sich Bornheld. Faradays und sein Blick trafen sich kurz, bevor sie sich rasch abwandte, weil sie nicht ertragen konnte, was sie in den Tiefen seiner Augen entdeckte. Im Hintergrund der reich verzierten und in Gold und Rosa gehaltenen Kammer standen einige Diener und Höflinge, die weinten, und zwei ratlose Ärzte.
Faraday sah wieder zum König hinüber. Auf den Tag genau vor drei Wochen hatte Priam, der immer gesund und munter gewesen war, erste Anzeichen von Wahnsinn gezeigt. Drei Tage lang war er durch die Gänge seines Palastes gestürmt und hatte in jedem Schatten Dämonen und Zauberer gesehen. Judith und Scharen von Dienern waren ihm überall hin gefolgt und hatten ihn angefleht, sich von Ärzten untersuchen zu lassen, sich hinzulegen und endlich zu schlafen. Vielleicht sei er ja nur überarbeitet und bedürfe der Erholung. Aber Seine Majestät war weiter durch die Korridore gerannt, ruhelos und zunehmend auch verwahrlost.
Was für ein furchtbares Ende, dachte Faraday verzweifelt. Sie hatte fast die gesamten letzten Wochen an der Seite Judiths verbracht und sie nach Kräften in allem unterstützt. Hatte sie mit sanftem Zwang dazu gebracht, sich hinzulegen, wenn sie doch lieber ihren Mann suchen wollte. Hatte ihr beigestanden, sie getröstet und ihr gut zugesprochen. Hatte alles versucht.
Die Ärzte stellten fest, daß Seine Majestät an einer besonders schweren Form von Hirnbrennen leide, die bei ihm Irrsinn hervorrufe. »Die Krankheit muß schon eine ganze Weile in ihm schwelen«, erklärten sie, »und ist jetzt vollständig zum Ausbruch gekommen.«
Sie legten ihm eine Eispackung nach der anderen auf die Stirn und setzten Blutegel an, um das Fieber zu senken, das sein Blut zum Kochen brachte. Die Heilkundigen überlegten sogar, seine Majestät in branntweingetränkte Tücher zu wickeln und in einen dunklen Raum einzuschließen; aber dann verwarfen sie diese Idee wieder. Der letzte Adlige, bei dem man diese Methode angewandt hatte, war unglücklich gestorben, weil ein unachtsamer Diener dabei eine Kerze umgestoßen hatte, die auf die alkoholgetränkten Tücher gefallen war und sie in Brand gesetzt hatte. Keiner ihrer Vorschläge und Anwendungen konnte seinen Zustand bessern, und schließlich hatten sie sich eingestehen müssen, daß sie mit ihrer Kunst am Ende seien.
Der ganze Hof grämte sich. Karlon und die benachbarten Grafschaften trauerten darum, daß des Königs Leben zur Neige ging. Und dann tauchten die ungeheuerlichen Gerüchte auf. Wenn Priam über ein Bündnis mit den Unaussprechlichen nachgedacht habe, lasse das doch darauf schließen, in welch schlimmem Zustand sich sein Verstand bereits befand. Wenn er Bornheld in aller Öffentlichkeit so gedemütigt habe, beweise das doch, daß er schon damals längst nicht mehr Gut von Böse, Freund von Feind unterscheiden konnte.
Jayme jedenfalls hatte sich diese Gerüchte rasch zunutze gemacht. Faraday fragte sich insgeheim, ob er sie nicht gar in die Welt gesetzt hatte.
»Das ansteckende Gift der Unaussprechlichen hat Priam befallen«, verbreitete der Bruderführer, und viele, allzu viele waren geneigt, ihm zuzuhören. »Deren Niederträchtigkeiten reichen jetzt schon bis ins Herz der Hauptstadt; denn es geht ihnen nur um ihren verruchten Plan eines Bündnisses.« Traurig schüttelte Jayme, wenn er an diesem Punkt angekommen war, den Kopf. »Ihr Gift hat sich bereits in den Gedanken Seiner Majestät festgesetzt. Nun können sich alle mit eigenen Augen davon überzeugen, mit wieviel Heimtücke die Unaussprechlichen arbeiten. Niemand vermag mehr, seine Ohren vor ihrem verderbten Treiben zu verschließen. Aber predigt das der Seneschall nicht schon seit vielen hundert Jahren? Haben wir nicht aus eben diesen Gründen die Unaussprechlichen aus unserer schönen Heimat vertrieben?«
Je mehr die Gerüchte über den unrettbaren Wahnsinn des Königs sich verstärkten, desto schwächer wurden Faradays Hoffnungen. Bornheld würde sich des Thrones bemächtigen und die gesamte Macht des Reiches gegen Axis ins Spiel werfen. Nun würden die beiden Brüder in ihrem Haß aufeinander ganz Achar zerreißen und zerstückeln, ehe sie sich endlich mit dem Schwert in der Hand in der Mondkammer gegenüberstünden.
Genau so wie die Vision es ihr gezeigt hatte.
Faraday ließ den Kopf hängen und wischte sich verstohlen die Tränen fort.
Bornheld hatte sich ebenfalls sehr um seinen
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