Tanz des Verlangens
Brüder gekommen und hatten versucht, zu ihm durchzudringen, aber er hatte keine Zeit für sie. Auch wenn es ihm jetzt besser ging, war der Teil von ihm tot, der für seine Familie offen hätte sein können.
Außerdem beherrschten die Gedanken an Néomi seinen Geist vollkommen.
Jetzt knirschte er mit den Zähnen, in dem Bemühen, Ruhe zu bewahren. Er saß in der Falle, konnte sie nicht ausfindig machen. Wenn er noch einen seiner Wutanfälle bekäme, würden seine Brüder ihn möglicherweise zwingen, diesen Ort zu verlassen, und irgendwo anders einsperren.
Und er war hier nicht fertig, noch nicht … Nicht ehe er herausgefunden hatte, ob sie auf seinen Geist einwirkte. Auch wenn er nach wie vor unter Anfällen unkontrollierbarer Gewalttätigkeit litt, bekam er seine Aggression und seine Wut langsam immer besser unter Kontrolle. Schon die Tatsache, dass er sich in der Dusche hatte beherrschen können, bewies das.
Vielleicht liegt es gar nicht an ihr – vielleicht liegt es an diesem Haus. Schließlich konnte er in diesem Moment klar denken, obwohl sie nicht da war.
Nein, das spielte keine Rolle. Er konnte sie immer noch ständig spüren. Gestern war ohne Unterlass ein zarter Nieselregen gefallen, und er hätte schwören können, dass er fühlte, wie … traurig sie war. Spät nachts hörte er sie regelmäßig durch die Gänge ihres Hauses streifen. Er nahm das gespenstische Rascheln ihrer Röcke wahr oder sogar ein gelegentliches Seufzen. Wenn sie an der Tür zu seinem Zimmer vorbeikam, bemerkte er die Veränderung in der Luft. Er hatte gelernt, nach dem schwachen Duft von Rosen zu suchen.
Er hatte nach ihr gerufen, aber immer war es Nikolai, der ins Zimmer gehastet kam. „Mit wem redest du?“, hatte er mit besorgter Stimme gefragt.
Nun fühlte Conrad sich, als ob er unter einer neuen Form von Wahnsinn litt. Muss sie finden. Will sie hierhaben. Fragen über ihr Leben quälten ihn. Sie trug Schmuck – Ohrringe, ein Halsband, einen breiten Ring am Zeigefinger –, aber keinen Ehering. Wenn dies ihr Eigentum gewesen war, dann musste sie reich gewesen sein, aber offenbar war sie unverheiratet. Und er glaubte nicht, dass sie in eine wohlhabende Familie hineingeboren worden war. Irgendetwas an ihrem Auftreten deutete auf eine Vergangenheit hin, in der es nichts zu verlieren gab.
Könnte eine Tänzerin genug verdient haben, um sich dieses Haus leisten zu können?
Zum Teufel, bei ihrer sinnlichen Ausstrahlung und absoluten Hemmungslosigkeit hätte sie eine Kurtisane sein können. Damit hätte sie ein Vermögen verdient.
Wer auch immer diese Néomi zu ihren Lebzeiten gewesen war, jetzt war sie tot. War er abartig veranlagt, dass er den Geist einer Frau dermaßen begehrte? Im Verlauf der vergangenen zwei Tage hatte er sich ihren nackten Körper wieder und wieder vorgestellt. Er war ihretwegen nicht hart geworden, aber er wünschte es sich jedenfalls.
Er war abartig. Nicht nur verrückt, sondern abartig.
Wenn er schlau war, würde er dieser schnell wachsenden Besessenheit ein Ende machen und sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, um seine Flucht.
Er war ein Getriebener: Er ließ sich einfach nicht ablenken, weil er nicht aufhören konnte, daran zu denken, wie sich ihre milchigen Brüste seinen Händen entgegengereckt hatten.
Bei Anbruch der Dämmerung tauchten die letzten Sonnenstrahlen das Bayou in dunstige Farben. Entlang der von Zypressen bewachsenen Ufer ergoss sich Moos von den Ästen. Nahe am Wasserrand hielt sich hartnäckig ein klappriger Pavillon.
Vor vielen Jahrzehnten war diese kleine Einbuchtung schiffbar gewesen, aber im Laufe der Jahre hatten Gräser und Ablagerungen die Bucht verstopft, sodass diese Gegend heute eher einem Sumpf glich. Es wimmelte von wilden Tieren. Schlangen, Alligatoren und Nerze hatten sich dort angesiedelt. Biberratten – große Wassernagetiere – tollten zwischen den Seerosen umher und bleckten ihre orangefarbenen Zähne.
Dies war einer von Néomis Lieblingsplätzen auf ihrem Anwesen. Sie hatte den ganzen Tag am Ufer verbracht, am Rand des Wassers gekauert und zugeschaut, wie den Kaulquappen Gliedmaßen wuchsen.
Das war das Beste, was ihr eingefallen war, um sich abzulenken, damit sie nicht in das Zimmer des Vampirs zurückkehrte.
„Halt dich von mir fern“, hatte er sie gewarnt. Bonne idée , hatte Néomi beschlossen.
Denn sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Das Wissen um seine heldenhafte Vergangenheit hatte sie milde gestimmt und der Anblick seines nackten
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