Tanz um Mitternacht
britischen Gesellschaft zu befolgen. Aber es störte sie, Beldon so anzureden, als wäre er etwas Besseres als sie.
Er lächelte belustigt. Offenbar erriet er ihre Gedanken. »Ich nehme an, Sie sind Amerikanerin.«
»Ja, ich wurde in Boston geboren. Amerikanischer geht’s gar nicht«, fügte sie herausfordernd hinzu. »Vielleicht erinnern Sie sich an die Bostoner Tea Party.«
Bestürzt hob Maggie ihre blonden Brauen. Aber der Duke lachte leise. »Das geschah lange vor meiner Zeit. Außerdem ist der Krieg beendet. Vielleicht erinnern Sie sich daran, Miss Harmon.«
»Gewiss. Wenn ich mich recht entsinne, ging er mit der Unabhängigkeits- und der Menschenrechtserklärung zu Ende, der zufolge alle Menschen gleich sind. In diesem Land glaubt man nicht daran. Oder irre ich mich - Euer Gnaden?«
»Allerdings, Miss Harmon. Natürlich wissen wir Engländer, dass alle Menschen gleich sind. Aber wir finden, einige sind ein bisschen gleicher als andere.« In seinen braunen Augen funkelte es - nicht nur vor Belustigung.
Caits Herz schlug viel zu schnell, und die Luft zwischen ihnen schien sich zu erhitzen. Als sich das Lächeln des Dukes vertiefte, sah sie ein Grübchen in seiner linken Wange. Mochte er auch arrogant und verwöhnt sein - er besaß eine gefährliche Anziehungskraft.
Nun wandte er sich zu Lady Trent. »Dein Bruder möchte mit dir reden, Maggie. Bis zu deiner Rückkehr leiste ich Miss Harmon gern Gesellschaft.«
Sie warf einen kurzen Blick zu dem schwarzhaarigen Mann hinüber, der am anderen Ende der Tanzfläche stand. »Dann ist sie ja in guten Händen.« In ihrer Stimme schwang ein warnender Unterton mit.
»Zweifellos«, stimmte der Duke zu.
»Gleich bin ich wieder da, Cait.« Bevor sie zu ihrem Bruder eilte, schaute sie Beldon bedeutungsvoll an.
»Da wir das Kriegsende übereinstimmend anerkannt haben-wie wär’s mit einem Waffenstillstand, Miss Harmon?«, fragte er.
Unwillkürlich lächelte sie. Es fiel ihr schwer, seinem Charme zu widerstehen. »Also gut, ein Waffenstillstand.« Diesmal sprach sie die Anrede »Euer Gnaden« nicht aus. »Zumindest vorerst.«
Seine Mundwinkel zuckten. Dann nahm er ein Champagnerglas vom Tablett eines Dieners und nippte daran. »Einem Gerücht zufolge haben Sie die letzten Jahre mit Ihrem Vater auf einer Insel vor der afrikanischen Küste verbracht - weit entfernt vom gesellschaftlichen Trubel.«
Seufzend dachte sie an die primitiven Lebensbedingungen auf Santo Amaro. »Das ist noch gelinde ausgedrückt.«
»Trotzdem tanzen Sie erstaunlich gut für eine Dame, die so lange auf den Segen der Zivilisation verzichten musste. Vorhin konnte ich Sie beobachten und mich davon überzeugen. Was halten Sie von einem Walzer?«
Abschätzend schaute sie ihn an. Sogar in Amerika fand man den Walzer ziemlich gewagt. Im Dreivierteltakt hatte sie noch nie getanzt. Aber sie kannte die erforderlichen Schritte. Dank ihrem Vater war sie auf vielen Gebieten sehr gebildet, und der Walzer erschien ihr kein bisschen skandalös.
Und doch - die Frage des Dukes war eine eindeutige Herausforderung. Vielleicht wollte er sich rächen, weil sie ihm die höfliche Anrede versagte, die ihm zustand. Aber da sie diesen Ball nur besuchte, um ihren Vater zu unterstützen, und Beldon zu den potenziellen Geldgebern zählte, beschloss sie die verhasste Floskel auszusprechen. Das wäre ein kleiner Preis für den erhofften Erfolg. »Euer Gnaden, im Augenblick wird gerade ein Kontertanz gespielt.«
Als er sich zur Tanzfläche wandte, verstummte die Musik. Wie auf ein verborgenes Zeichen hin - das sicher erfolgt war - intonierte das Orchester einen Walzer. »Ja oder nein?«, drängte der Duke.
Schon wieder musste sie gegen ihren Willen lächeln. »Falls Sie’s riskieren wollen, dass ich ein paarmal auf Ihre spiegelblank polierten Schuhe steige...«
»Dieses Risiko nehme ich sehr gern auf mich.« Lachend führte er sie auf die Tanzfläche, schlang einen Arm um ihre Taille, und sie legte ihre Hand auf seine breite Schulter. Dann wirbelte er sie mühelos und geschmeidig über das Parkett. Für mehrere Sekunden schien die Konversation zu verebben, während die Gäste das attraktive Paar beobachteten.
Sofort gesellten sich andere Tänzer hinzu, auch Lord und Lady Trent, die dem verpönten Walzer offensichtlich eine respektable Aura verleihen wollten.
Während einer anmutigen Drehung bemerkte der Duke: »Ich glaube, Sie haben eine gute, treue Freundin gewonnen, Miss Harmon. Wann immer Maggie jemanden unter
Weitere Kostenlose Bücher