Tanz um Mitternacht
entgegenzublicken, vermoderte er in seinem eisigen Grab.
Entschlossen blickte Rand in die Augen seines Anwalts. »Ich möchte wissen, was mit diesem Schiff geschehen ist, in allen Einzelheiten, und was genau bei Merriweather Shipping vorgeht. Wer leitet die Firma? Wer treibt das Geld für ihre Transaktionen auf?« Unwillkürlich ballte er die Hand, die auf der Armstütze seines Sessels lag. »Stellen Sie fest, was meinem Vetter widerfahren ist. Hat er sich wegen seiner leichtfertigen Investments umgebracht? Oder wurde er von einem geldgierigen Bastard, der sein Vertrauen missbraucht hat, in den Tod getrieben?«
2
Die Spiegelwände des Salons reflektierten die Gestalt Phillip Rutherfords, des Barons Talmadge, der langsam umherwanderte. Ein unscheinbarer Mann, dachte Rand. Das hatte er nicht erwartet. Dunkelblond, mit haselnussbraunen Augen, war der Baron einige Jahre älter als Rand - etwa vierzig -, um ein paar Zentimeter kleiner und nicht so kräftig gebaut.
Seit Rutherfords Ankunft stand Rand neben der Tür des Salons und beobachtete ihn. Ein umgänglicher Mann, schien der Baron mit allen Gästen ungezwungen zu plaudern, und es fiel ihm nicht schwer, die Sympathien der Londoner Gesellschaft zu gewinnen.
Aber solche Eigenschaften musste ein Gauner, der den Leuten das Geld aus der Tasche zog, um seine eigene zu füllen, natürlich besitzen.
Rand musterte ihn noch eine Weile und bemerkte das selbstsichere Auftreten des Barons. Jetzt verstand er, warum sein Vetter auf diesen Mann hereingefallen war. Erstaunlich, dass ich ihn bisher nicht kennen gelernt habe, überlegte er. Das würde sich im Lauf dieses Abends ändern. Dann erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit.
Gelächter. Melodisch, sinnlich, sehr feminin. Nur zu gut erinnerte er sich an die kleine Amerikanerin. So offenherzig lachte keine andere Frau in seinem Bekanntenkreis. Während er dieser verlockenden Stimme lauschte, floss das Blut schneller durch seine Adern.
Für einen Augenblick vergaß er den Mann im burgunderroten Frack, obwohl er die Party nur seinetwegen besuchte. Als er hinter einer Marmorsäule hervortrat, entdeckte er sie, sah ihr rosiges Gesicht, den verführerischen Busenansatz im Dekolletee des aquamarinblauen Seidenkleids. »Warum habe ich das Gefühl eines Deja-vu-Erlebnisses?« Grinsend schlenderte Nick Warring zu ihm. »Oder war es nicht Miss Harmon, die du bei unserer letzten Begegnung unverwandt angestarrt hast?«
»Doch«, bestätigte Rand, ohne die rothaarige Schönheit aus den Augen zu lassen. Nicht nur ihre Reize spannten seine Nerven an. Nach dem Gespräch mit seinem Anwalt hatte er beunruhigende Informationen über Caitlin Harmons Vater erhalten.
Donovan Harmon war nämlich der Partner des Barons, des Mannes, der nach Rands Überzeugung seinen jungen Vetter in den Ruin und zum Selbstmord getrieben hatte.
Die Zähne zusammengebissen, bezwang Rand ein bitteres Bedauern und wünschte, Cait Harmon wäre jemand anderer.
»Eine faszinierende Frau, nicht wahr?« Ironisch beobachtete Nick den Freund, der seinen Blick nicht von der Amerikanerin losreißen konnte, und nippte an einem Glas Gin, seinem Lieblingsgetränk.
»In der Tat.«
»Übrigens, sie wohnt bei meiner Schwester.«
Das wusste Rand bereits. Und er wusste auch, dass ihr Vater mit Talmadges Unterstützung versuchte, Geld für die geplante Expedition aufzutreiben. Zu diesem Zweck trat der Professor an Mitglieder der Aristokratie heran, so wie der Baron vor einiger Zeit an den jungen Jonathan. Wenn Caitlin mit ihrem Vater zusammenarbeitete, musste sie über seine Aktivitäten Bescheid wissen - und über Phillip Rutherford.
Rand beobachtete, wie sie sich mit Nicks Schwester Maggie unterhielt. An diesem Abend sah sie genauso bezaubernd aus wie auf dem Ball des Marquess of Wester. Mit ihrem strahlenden Lächeln, dem makellosen Teint und der wohlgeformten Figur stellte sie alle anderen anwesenden Frauen in den Schatten. Sein Interesse wuchs.
O ja, sie reizte ihn. Und wegen ihrer Kontakte zu Talmadge würde sie ihm vielleicht nützen. Dass er sie attraktiv fand, war ein zusätzlicher Vorteil. Entschlossen ging er zu ihr hinüber.
»Da kommt Rand«, flüsterte Maggie ihrer Freundin zu. »Ich habe mich schon gefragt, wo er so lange bleibt.«
Wie sie das meinte, wusste Caitlin nicht genau. Aber sie fand keine Zeit, danach zu fragen. Mit langen, zielstrebigen Schritten ging der Duke of Beldon auf sie zu.
Nachdem er Maggie höflich begrüßt hatte, verbeugte er sich
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