Tao Te Puh
Auffassungen und Grundsätze des Taoismus ist, mit denen wir uns hier befassen.
Zuerst einmal muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß Gelehrte in China ihrer Schulung und Richtung nach im allgemeinen Konfuzianer waren und deshalb oft eine andere Sprache sprachen als die Taoisten, die in den Konfuzianern meist geschäftige Ameisen sahen, emsig dabei, das vom Leben veranstaltete Picknick zu verderben, indem sie hin und her rannten und nach herunterfallenden Krümeln suchten. Im letzten Abschnitt des Tao Te King schreibt Lao-tse: „Die Weisen sind nicht gelehrt; die Gelehrten sind nicht weise“, eine Auffassung, die von zahllosen Taoisten vor und nach ihm geteilt wird.
Vom taoistischen Standpunkt aus ist der Gelehrtenverstand zwar gelegentlich für bestimmte Analysen brauchbar, aber tiefergehende und weiterreichende Dinge entziehen sich doch seinem engstirnigen Zugriff. Der Taoist Chuang-tse faßte das folgendermaßen in Worte:
Es kann sich ein Brunnenfrosch kein Bild vom Meer machen noch ein Sommerinsekt einen Begriff von Eis. Wie kann dann ein Gelehrter das Tao verstehen? Seine eigene Gelehrtheit hält ihn in Schranken. {1}
Es ist schon seltsam, daß der Taoismus, der Weg des „ganzen Menschen“, des „wahren Menschen“, des „Geistwesens“ (um ein paar taoistische Begriffe zu verwenden), hier im Westen seinen Interpreten vor allem in der gelehrten Eule hat — in der Gestalt des Denkers, des Akademikers, des staubtrockenen geistesabwesenden Professors. Dieses unvollkommene, unausgewogene Geschöpf ist weit davon entfernt, das taoistische Ideal der Ganzheit und Unabhängigkeit widerzuspiegeln, denn es teilt alles in kleine, abstrakte Grüppchen und Kategorien ein, ist jedoch in seinem Lebensalltag ziemlich hilflos und desorganisiert. Statt von taoistischen Meistern und durch unmittelbare Erfahrung zu lernen, lernt es mit dem Verstand, indirekt, aus Büchern. Und da es taoistische Grundsätze so gut wie nie im täglichen Lebenin die Tat umsetzt, fehlen seinen Erklärungen darüber oft recht wesentliche Details, zum Beispiel wie sie sich auswirken oder wo man sie anwenden kann.
Allerdings ist es sehr schwer, überhaupt etwas vom Geist des Taoismus in den leblosen Schriften der humorlosen akademischen Leichenbestatter zu finden, deren vergilbte gelehrte Abhandlungen nicht mehr von der charakteristischen taoistischen Weisheit enthalten als ein gutsortiertes Wachsfigurenkabinett.
Aber genau das haben wir von der theoretisierenden Eule zu erwarten, diesem vertrockneten westlichen Nachfahren aller konfuzianischen Gelehrten, der jedoch im Unterschied zu seinem erhabenen, wenn auch recht einfallslosen Vorläufer glaubt, er habe eine Art Monopol auf—
„Was ist denn das?“ unterbrach Puh.
„Was ist was??“ fragte ich.
„Was du gerade gesagt hast — ein konfusianischer Gelehrter.“
„Mal sehen — ein konfusianischer Gelehrter ist jemand, der Wissen um des Wissens willen anhäuft und das, was er ansammelt, für sich behält oder nur im engsten Kreis von sich gibt und der aufgeblasene, hochgestochene Werke verfaßt, die niemand versteht, statt anderen zum rechten Verständnis zu verhelfen. Wie findest du das?“
„Viel besser“, meinte Puh.
„Eule steht im Begriff, uns den Konfusionismus zu veranschaulichen“, erklärte ich ihm.
„Ach so“, sagte Puh.
Was uns zu Eule zurückbringt. Mal sehen — wie hat Kaninchen sein Verhältnis zu Eule beschrieben? Ah, hier ist es ja:
... man muß einfach Hochachtung haben vor jemandem, der DIENSTAG schreiben kann, selbst wenn er es nicht richtig buchstabiert; aber Buchstabieren ist nicht das Allerwichtigste. Es gibt Tage, da zählt Dienstag-Buchstabieren überhaupt nicht.
„Ach übrigens, Puh, wie schreibst du denn Dienstag?“
„Schreib’ ich was?“ fragte Puh zurück.
„Dienstag. Du weißt schon — Montag, Dienstag ...“
„Mein lieber Puh“, schaltete sich jetzt Eule ein, „jedes Kind weiß, daß es mit Dienst geschrieben wird.“
„Tatsächlich?“ staunte Puh.
„Natürlich“, erklärte Eule, „schließlich ist es ein Werktag.“ „Ach, so geht das?“ wunderte sich Puh. „Was kommt denn nach Diensttag?“
„Freitag“, erwiderte Eule.
„Eule, du bringst alles durcheinander“, warf ich ein, „wir haben doch gerade den Tag nach Dienstag, und das ist kein freier – also es ist kein Freitag.“
„Was dann?“ erkundigte sich Eule.
„Heute!“ quiekte Ferkel.
„Mein Lieblingstag“, sagte
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