Taqwacore
Wohnung sehen«, sagte Rabeya zu mir, während Fatima verlegen lächelte. »Sie hat stapelweise Filmrollen über Demonstrationen, ungefähr tausend Stunden Bildmaterial. Proteste in Palästina, Tschetschenien, Bosnien, Afghanistan, die Amtseinführung von George Bush, WTO , Irak …«
»Irgendwann muss ich das alles mal sichten«, sagte Fatima. »Die guten Sachen aussuchen und eine Video-Autobiografie daraus machen. Das wird ewig dauern. Ich bin so aufgeregt«, fügte sie etwas zusammenhanglos hinzu. »Ein guter Freund von mir kommt im Herbst an die Universität von Buffalo, er wird dann ständig hier sein.«
»Ist das Muzammil?«, fragte Rabeya.
»Ja«, sagte Fatima. »Er ist super.«
»Was macht er so?«, fragte ich.
»Ich bin ihm in San Francisco bei der Gay Muslim Conference begegnet«, erläuterte sie. »Er schließt dieses Jahr die Highschool ab.«
»Wow«, sagte Rabeya. »Übrigens, wie war die Konferenz denn so?«
»Ziemlich interessant – ich fuhr hin, um einen Dokumentarfilm zu drehen, und dachte, die Szene wäre cool –, aber ihr würdet staunen, wie fundamentalistisch manche dieser Typen sind.«
»Echt?«
»Ja, sie sind absolut streng, was die Gebete und so angeht, und viele von ihnen sagen einem gleich, dass Sex unter Männern eine Sünde ist – aber sie sind ganz offen schwul und man fragt sich, wie sie das zusammenbringen. Ich glaube nicht, dass ich einem Glauben anhängen könnte, der meine Lebensweise verurteilt.«
»Das wäre ziemlich hart«, sagte Rabeya. »Aber wahrscheinlich tut man, was man tun muss.«
»Na ja, jedenfalls ist Muzammil ein echt cooler Typ. Ihr werdet ihn bestimmt alle mögen.«
Rabeya ging in die Küche und holte ein Glas Sojamilch mit Schokoladengeschmack, die sie extra für Fatimas Besuche bereithielt. »Oh Rabby, du bist echt süß!«, strahlte Fatima, als Rabeya mit dem Glas zurückkam. Dann hörte ich, dass Amazing Ayyub in der Küche herumfuhrwerkte.
» ICH HAB GEHÖRT , DASS MAN VON DEM SCHEISS TOTALEN DURCHFALL KRIEGT !«, rief er.
»Ayyub«, schrie Fatima zurück, »komm mal her.« Ayyub, mal wieder ohne T -Shirt, gehorchte. Sie fragte: »Hast du schon mal die von Silk probiert?«
» Silk? Seide? Nur Homos tragen Seide.« Ich stellte mir vor, wie Rabeya hinter ihrem Stoffgitter die Augen rollte. »Seide ist was für bescheuerte Schwuchteln«, fuhr Ayyub fort. »Weißt du, was in Dschehennam mit Männern passiert, die Seide tragen?«
Fatima überging Ayyubs Gezeter einfach. Sie bot ihm einen Schluck Sojamilch an. Er nahm das Glas und nippte vorsichtig.
»Mal was anderes«, sagte er.
»Es ist gesund.«
»Also, Ayyub, glaubst du, Homosexualität ist haram?«
»Weiß nicht«, antwortete Ayyub mit niedergeschlagenem Blick. »Aber verdammte Scheiße, wenn ich ein Stechen in meinem Arsch verspüren würde, dann stünde es Fünfzig-Fünfzig.«
»Was?«, fragten wir alle hintereinander, Fatima mit in höflichem Erstaunen gehobenen Augenbrauen.
»Wenn irgendein Typ versuchen würde, sein Ding in meinen Arsch zu stecken, dann müsste ich die Sache abwägen.« Er grinste uns an wie ein Erstklässler, der gerade einen Furz gelassen hatte und jetzt am liebsten davongelaufen wäre.
Wir saßen einen Moment lang schweigend da und versuchten uns über Amazing Ayyub klar zu werden.
»Also«, sagte Rabeya, »erzähl mir doch mal, was da mit dir und Lynn läuft?«
Aus unerfindlichen Gründen spürte ich, dass sie unter ihrer Burka lächelte. Damals war ich zu naiv, um die Frage für irgendetwas anderes als einfache, ehrliche Neugierde zu halten. Ich hatte keine Ahnung, wie das Paarungsverhalten unter Menschen funktionierte, wie sie durch gemeinsame Freunde und harmlose Unterhaltungen etwas in Erfahrung bringen wollen.
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Magst du sie?«
»Klar, sie ist cool. Als Mensch. Und richtig clever.« Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. In Wirklichkeit war ich mir nicht sicher, ob ich überhaupt irgendein Interesse an Lynn hatte, abgesehen von der faszinierenden Vorstellung, dass jemand in romantischer oder sexueller Hinsicht etwas für mich übrighatte.
»Ja, sie ist cool … aber magst du sie?«
»Ja, klar, kann man sagen, sicher. Ich glaube, es ist nur – ich weiß nicht, ich weiß nur nicht wirklich …«
»Was?«, fragte Fatima.
»Ich weiß nicht, wie man sich verabredet.«
»Was meinst du damit?«, fragte Rabeya.
»Diesen ganzen Kram mit ›Hey, willst du mit mir ins Kino gehen‹ und so. Ich habe keinen
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