Taqwacore
Schimmer, wie das funktioniert.«
»So läuft das gar nicht mehr«, sagte Rabeya.
»Nein?«
»Niemand verabredet sich mehr so, Yusef. Man hängt einfach so mit seinen Freunden herum, und irgendwann macht man mit irgendwem rum, vielleicht auch zweimal … und dann überlegt man sich, ob man sich auch mal ohne die anderen sieht, und zack! Schon bist du in einer Beziehung.«
»Aha.«
»Genau so lief es ab, als ich noch im Studentenwohnheim war«, fügte Fatima hinzu. »Alle hingen bei irgendwem im Zimmer rum und schauten sich Filme an oder so … und schlussendlich musste irgendwer dran glauben.«
»Verstehe.«
»Mach dir keine Sorgen, Yusef«, sagte Rabeya und der Stoff ihres Niqab bewegte sich, als sie sprach. »Entspann dich und warte, was passiert.«
»Cool.«
»Oh!«, sagte Fatima plötzlich und drehte sich schnell zu Rabeya um. »Ich habe ganz vergessen, dir zu erzählen, was meine Mutter gesagt hat!«
»Was war los?«, fragte Rabeya.
»Sie war ganz komisch und sagte immer wieder, wie sehr sie hoffe, dass ich mit ihr über alles reden könne und dass wir eine enge, unkomplizierte Mutter-Tochter-Beziehung hätten … und ich hatte keinen Schimmer, was sie eigentlich wollte, bis sie damit rausplatzte: ›Falls du in der Uni einen Jungen kennenlernst, möchte ich, dass du weißt, dass du mir sagen kannst –‹«
»Scheiße!«, rief Rabeya aus. »Was hast du dazu gesagt?«
»Ich habe gesagt: ›Na ja, was wäre denn dann?‹ Und sie sagte: ›Dann werden wir uns mit seinen Eltern treffen und über die Hochzeit sprechen.‹«
»Ohhhhhhh Maaaann!«, stöhnte Rabeya.
»Ja … ja.«
»Oh Gott«, sagte Rabeya.
»Ich wusste überhaupt nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich habe die beste Mutter der Welt, aber manchmal schnallt sie es einfach überhaupt nicht …«
Ich lächelte höflich, während Fatima und Rabeya ihre Unterhaltung über Themen fortsetzten, zu denen ich nichts beitragen konnte. Doch während ich dasaß und an Fatimas Mutter dachte, fiel mir eine Kleinigkeit ein, die Jehangir mir nach der Nacht erzählt hatte, in der er betrunken war und mit Fatima rumgemacht hatte. Vielleicht wusste Rabeya gar nichts davon.
Es handelte sich um Folgendes: Als Fatima ihre Regel bekam, hatte ihre Mutter sich geweigert, mit ihr zum Gynäkologen zu gehen, mit der Begründung, sie würde dabei ihre Jungfräulichkeit verlieren.
Diese Woche war Rabeya mit der Khutba dran. Die üblichen Gesichter erschienen in unserer Haustür. Fatima war da, sie hatte ihr Haar mit einem schlichten blauen Kopftuch bedeckt. Ich stellte mich extra in eine der hinteren Reihen, um die Chance zu erhöhen, dass ich Lynn sah, bevor sie mich entdeckte. Doch sie war nicht da.
Rabeya begann mit einigen Du’as auf Arabisch, anschließend las sie eine Liste von Fragen, die auf islamischen Webseiten an Gelehrte gerichtet worden waren, die für die Fatwas zuständig waren. Sie gab keinerlei Kommentar zu den Fragen ab und überließ es uns, wie wir sie aufnahmen.
»Ist es Wadschib oder Sunna für Frauen, ihr Gesicht zu bedecken?«
»Ist Haschisch haram oder nur makruh?«
»Ist es Sunna oder Fard für Frauen, Henna auf ihre Hände zu tun?«
»Was sagt die Sunna über Essig, Olivenöl, Honig und Haaröl?«
»Dürfen Frauen ein Armband mit Glöckchen tragen?«
»Ahmt man die Ungläubigen nach, wenn man Lippenstift benutzt?«
»Ist es menstruierenden Frauen gestattet, aus dem heiligen Koran zu rezitieren?«
»Darf eine Frau das Grab eines Verwandten besuchen?«
»Wie sollen schafiitische Frauen bei der Sadschda ihre Füße platzieren?«
»Darf eine Frau ihren Mann beim Namen nennen?«
»Darf eine Frau mehr als 75 Kilometer in einem anderen Auto fahren als ihr Mahram, wenn er im Auto vor ihr sitzt?«
»Ist es gestattet, dass eine Frau sich die Nase durchstechen lässt, um Schmuck zu tragen?«
»Ist das Wudu ungültig, wenn man in den Spiegel guckt?«
»Ist es gestattet, mit der linken Hand zu schreiben?«
Als ich all diese Fragen bis zur letzten (»Ist es haram für eine Frau, einem Mann Blut zu spenden, der nicht mit ihr verwandt ist?«) hintereinander gehört hatte, begann ich mich für den Islam zu schämen – oder zumindest für die Muslime – oder für mich selbst, weil ich über die Gelatine in den Marshmallows nachgedacht hatte. Waren das die grundlegenden Fragen auf dem Weg zur Spiritualität?
Rabeya begann mit der Khutba, die sich um die Halskette drehte.
Mohammeds Frau Aisha wurde einst von der Karawane
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