Taqwacore
Er schüttelte Fasiq ab und verließ das Haus. Ein paar bedröhnte Punks standen stumm dabei. Nur drei Meter entfernt lag Jehangir immer noch bewusstlos auf dem Sofa.
Kapitel V
»Was ist das denn?«, fragte ich.
»Was?«
»Auf deinem T -Shirt.« Auf Jehangirs schwarzem T -Shirt stand in weißer Schablonenschrift: »Vote Hezbollah«.
»Das ist nur der Name einer Band«, sagte er achselzuckend und gab dem Football einen Klaps mit seiner Linken, bevor er ihn in einem anmutigen Bogen in meine wartenden Arme warf. Es geht dabei um mehr als einfach nur ums Werfen und Fangen: Man braucht eine Haltung, sogar einen Drive, der durchblicken lässt, dass man locker und cool genug ist, um mitzumachen. Das ist Teil unserer Kultur. Jehangir hatte diese Haltung; nach jedem Wurf stand er bewegungslos da, wie Jim Kelly auf einer alten Football-Sammelkarte. Und er hatte den Drive eines Typen, dessen Vater ihm schon in jungen Jahren im Hinterhof beigebracht hatte, wie man das Schweinsleder wirft. Jehangirs Vater war allerdings gestorben, als er noch klein war; ich wusste also nicht, woher er das hatte. Ich wiederum hatte weder die Haltung noch den Drive. Ich konnte weder werfen noch fangen – und was noch entscheidender war, ich wusste nicht einmal, wie man cool aussah, wenn man es versuchte. Jehangir konnte einem hohen Pass nachrennen, obwohl er überhaupt keine Chance hatte, ihn zu erwischen, aber er tat es auf eine Art, die mich faszinierte.
»Entschuldige«, sagte ich, als mein Wurf über die Straße ging. Jehangir wartete, bis ein Auto vorbei war, dann ging er hinüber, um den Ball zu holen. Er brauchte sich nur vorzubeugen, um den Ball aufzuheben, und ich war gebannt von seiner Coolness und seinem Charisma, den beiden magischen immateriellen Gütern, von denen er mehr besaß als jeder, den ich bisher gekannt hatte. Er kam langsam zurück auf unsere Straßenseite und übergab mir lässig den Ball.
»Umar ist ein Arsch«, sagte er.
»Ja, das ist er.« Ich wartete, bis er zurück auf seinen Platz getrabt war, bevor ich warf.
»Tut mir leid, dass ich weggetreten war«, sagte er und hielt inne, um den herunterkommenden Ball ins Visier zu nehmen, zu fangen und wieder zurückzuwerfen. »Ich war die ganze Zeit da. Ich hätte irgendwas machen können. Und der arme Ayyub …«
Es vergingen einige Minuten, in denen keiner von uns ein Wort sagte und nur ein gelegentliches Aufklatschen unserer Hände zu hören war, wenn wir den Football aus der Luft fingen. Schließlich sagte Jehangir: »Yusef Ali, ich muss mit dem Saufen aufhören.«
»Inschallah.«
»Hoffentlich.« Er fing den Ball und warf ihn zurück. »Suff und Mädels, Bruder. Wenn wir wiederauferstehen und unsere Körper Zeugnis davon ablegen, was wir getan haben …« Er rannte, um meinen ungenauen Pass zu erwischen. »Du weißt, welche Körperteile das vor allem betrifft, stimmt’s?« Er wartete auf eine Antwort, aber ich nickte nur. »Die Münder und die Schwänze«, sagte er.
»Das hat Amazing Ayyub mir erzählt«, entgegnete ich.
»Ich kann mir gut vorstellen, wie mein Mund Allah am jüngsten Tag erzählt, dass ich ihn zu einem Kenner guter Importbiere gemacht habe.« Ich lachte. »Und mein Schwanz sagt: ›Ya Allah subhana wa ta’ala, lass dir von Jehangir nicht erzählen, er hätte sich nie mit den Ungläubigen eingelassen. ‹ « Während wir uns unterhielten, ging der Ball fast rhythmisch hin und her, die Aufschläge und die Pausen dazwischen wurden zu einem Teil unseres Gesprächs. »Aber weißt du was, Yusef Ali?«
»Was?«
»Ich glaube nicht an die Hölle.«
»Nicht?«
»Nee.«
»Das ist aber entscheidend für einen Muslim.«
»Vermutlich.«
»Was meinst du damit?«
»Ich glaube, es hat nichts zu bedeuten.«
»Nein? Du glaubst, ob du ein Muslim bist oder nicht, bedeutet nichts?«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht, Yusef. Im Islam geht es vor allem um Wissen, richtig? Muslime wissen alles. Von der Wiege bis zur Bahre sind wir auf der Suche nach Wissen. Wir würden es sogar in China suchen, Yusef, SOGAR IN CHINA ! Und wir haben unsere Religion zu einer verdammten Wissenschaft gemacht. Der Typ, der sich mit dem Islam am besten auskennt, ist derjenige, der die Bücher gewälzt und sein Zeug mühevoll gelernt hat. Muslime brüsten sich damit, dass es keine Priester gibt, aber dafür werden wir von den Schriftgelehrten belästigt. Yusef Ali, Bücher sind nicht Allah. Auch ein Buch von Allah ist nicht Allah.« Er blickte hinauf zu
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