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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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06 : 00  Uhr
    Willst du Spannung auf dem Sitz,
schieß die Ricke vor dem Kitz!
     
    Lambert von Bellingen hatte das Ego nicht erfunden, aber man darf sagen, er hatte es perfektioniert.
    Erhobenen Hauptes thronte er in feschem Lodengrün auf dem Hochsitz. Es war zwar offiziell Schonzeit, aber die Geldstrafe – sollte er denn angezeigt werden – zahlte er, reich, wie er war, lässig aus seiner Portokasse. Wenn er Blut sehen wollte, dann wollte er Blut sehen. Gemäß dem Motto: Was du heute kannst erlegen, musst du morgen nicht mehr hegen. Und wer konnte sich diese dämlichen Schonzeiten schon merken? Jedes Bundesland hatte seine eigenen Zeiten, und er, der Vielreisende, googelte sich doch nicht erst mühsam durch den aktuellen lokalen Schonfristkalender, wenn er Lust verspürte, in Hamburg ein Murmeltier oder einen Seehund auf der Alb zu schießen. Er rief einfach bei einem alten Jagdfreund an – und derer hatte er viele –, schnappte sich sein Gewehr und jagte, was ihm pirschend vor die Flinte kam. Großtrappe, Eiderente, Sumpfbiber oder Rehbock – da machte er keinen Unterschied. Und sollte er, wie seinerzeit US -Vizepräsident Dick Cheney, zufällig einen Hominiden, gar einen Anwalt, mit Schrot durchsieben, so wäre das eine herrliche Anekdote für seinen vierteljährlichen Stammtischabend mit den Fraktionskollegen aus dem Landtag.
    In seinem bajuwarischen Trachtenoutfit von Lodenfrey, das Lambert von Bellingen immer trug, wenn er auf die Jagd ging, saß er an diesem frühen Morgen mittig auf der Holzbank eines Hochsitzes und schaute missmutig zum Waldrand.
    Kein Bock.
    Keine Ricke.
    Nicht einmal Bambi.
    Und natürlich auch kein Anwalt. Für die war es noch zu früh am Tag.
    Langsam wurde die Zeit knapp. Um zehn Uhr musste er im Stuttgarter Landtag sitzen, komme, was da wolle. Heute filmte der SWR für eine Polit-Doku zur Einstimmung auf die demnächst anstehende Wahl, da durfte sein Stuhl auf keinen Fall leer bleiben.
    Lambert von Bellingen hmpfte ungnädig. Dann blieb ihm wohl nichts anderes übrig als …
    Er angelte sein Handy aus der Trachtenjackeninnentasche und drückte eine Kurzwahlnummer. »Meier, ich bin’s, von Bellingen. Lambert von Bellingen.«
    Meier konnte selbstverständlich dem Display entnehmen, dass ihn sein Chef anrief, oder spätestens an der Bassstimme erkennen, um wen es sich bei dem Anrufer handelte, aber Lambert von Bellingen ließ sich keine Chance entgehen, seinen Namen laut auszusprechen. Insofern glich er Crane, Denny Crane. Obwohl er sich selbst natürlich eher für Bond, James Bond hielt. Bisweilen baute er sich morgens nach dem Rasieren vor dem Spiegel auf und intonierte so lange »von Bellingen, Lambert von Bellingen«, bis ihn ein wohliges Gefühl der eigenen Bedeutsamkeit durchströmte.
    »Meier, ich kann nicht mehr warten. Sie wissen, was Sie zu tun haben?«
    »Jawohl. Waidmanns Heil.«
    Meier klappte sein Handy zu, steckte es in seine Hosentasche, hauchte sich wärmend in die Hände und ließ dann die sieben Fasane aus dem Fangnetz frei. Gleich darauf trieb er sie mit lauten Hossa-Rufen in Richtung des Hochsitzes. Wobei er gewissenhaft darauf achtete, immer von Bäumen geschützt zu sein. Er trug zwar eine leuchtend orangefarbene Schutzweste, aber er kannte seinen Chef und wollte auf gar keinen Fall ein Risiko eingehen.
    Und da knallte auch schon der erste Schuss.

06 : 15  Uhr
    Der Haubenbär spricht mit Bedacht:
»Die Bären werden nachts gemacht!«
Dann rennt er mit Gegröle
in seine Bärenhöhle.
Arnold Hau
     
    Nahaufnahme. Eine laokoonische Umarmung. Will sagen, eine Umarmung, bei der man nicht mehr wusste, wem welcher Arm gehörte, welches Bein. Haut auf Haut, Atem auf Atem. Nicht heiß und wild und leidenschaftlich wie in der Nacht zuvor, sondern zärtlich, innig, verschmelzend. Die Art von Sex, die am ehesten sagt: »Ich liebe dich« – bei der zwei Körper einander ein Versprechen geben. Und es halten.
    Wäre dies ein Softporno, würde man nicht mitbekommen, wie Olaf den Kopf immer leicht auf die Seite dreht, weil er fürchtet, Mundgeruch zu haben. Die Kamera würde nicht zeigen, wie Susanne ungeschickt auf Olafs langen Haaren zu liegen kommt und sie auf diese Weise aus seinem lustvollen Stöhnen ein schmerzbetontes macht. Es gäbe keine roten Allergiepickel auf der Stirn der Hauptdarstellerin und keinen fetten Stressfurunkel auf der linken Pobacke des männlichen Helden.
    Aber dies war kein weichgezeichneter Softporno, dies war der ganz gewöhnliche

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