Taqwacore
unidentifizierbare Männer, die über Autoreifen sprangen wie ein Highschool-Footballteam und dabei Kalaschnikows trugen.
Dann fiel mir auf, dass ein Spiegel an der Wand hing, gleich neben dem Schrank. Das kam mir irgendwie komisch vor; warum sollte Rabeya einen Spiegel brauchen, wenn sie sich nie die Haare machte oder sich schminkte und immer nur dieselbe alte Kutte überwarf, bevor sie das Zimmer verließ. Neben dem Spiegel hing ein Poster mit einem Leichnam in einem Hidschab, der in seinem eigenen Blut lag, nur die Füße schauten heraus. Auf dem Leichnam stand: »Muslimische Frau.« Darüber schwebten elf Dolche, als wäre dieser Mord mit ihnen verübt worden. Neben jeder Klinge stand ein arabisches Wort, die englische Übersetzung fand sich am unteren Rand des Posters.
Der Übersetzung nach stand jeder Dolch für eine der »Gefahren, die muslimische Frauen bedrohen«. Es waren:
1. Das Telefon
2. Lieder
3. Im Auto mit einem Fahrer fahren, der kein Mahram ist
4. In fremde Länder reisen
5. Unbedeckt sein
6. Freizeitparks und öffentliche Anlagen
7. Handel treiben
8. Pornohefte
9. Pornofilme
10. Schädliche Fernsehsendungen
11. Eine Heirat verweigern oder spät heiraten
»Wo hast du das her?«, fragte ich und konnte meine Augen nicht davon lösen.
»Es war bei ein paar Büchern dabei, die ich bestellt habe.«
»Aha.«
»Ich finde es lustig, dass ›Pornoheft‹ und ›Pornofilm‹ zwei verschiedene Punkte sind«, bemerkte sie mit einem Lachen. »Vermutlich ist Pornografie eine besonders ernste Bedrohung.«
»Sieht ganz so aus.«
»Vielleicht sogar genauso gefährlich wie das Telefon!«
»Wow«, sagte ich. Mir fiel nichts anderes ein. Dann entdeckte ich auf den Kreppbandstreifen einige Worte, die nicht von ihr stammten; sie standen auf fünf Streifen plus einem sechsten mit dem Namen der Autorin.
at heart, i am a muslim,
at heart, i am an american,
at heart, i am a muslim,
at heart, i am an american artist,
and i have no guilt.
– patti smith
»Kennst du den Hadith über die Prostituierte, die sich in der Wüste verlaufen hat?«
»Nein«, antwortete ich.
»Also, eine Prostituierte hat sich in der Wüste verlaufen – sie ist am Verhungern, stirbt fast vor Durst und Hitze und so weiter, das ganze Programm – und als sie schließlich zu einem Brunnen kommt, findet sie einen Hund, der dort in Staub und Hitze im Sand liegt und am Verenden ist. Was macht sie also?«
»Ich glaube, ich habe das schon mal gehört«, sagte ich.
»Wahrscheinlich.«
»Sie nimmt ihren Hidschab ab, taucht ihn in das Wasser und gibt ihn dem Hund. Und weil sie dem Hund Wasser gegeben hat, bevor sie ihren eigenen Durst stillte, hat Rasulullah ihr all ihre Sünden vergeben.«
»Das sollte man sich merken«, sagte sie und deutete auf das Poster mit den Gefahren, die muslimische Frauen bedrohen, »wenn man sich dabei ertappt zu denken, das hier sei unsere Religion.«
»Klingt vernünftig.«
»Irgendwo da draußen gibt es einen coolen Islam, Yusef. Man muss ihn nur finden. Man muss sich durch den ganzen anderen Kram durchackern, aber er ist da.«
Kapitel VI
Ende August begann das neue Semester. Jehangir nahm Fasiq Abasa, Rude Dawud und mich mit auf eine Mission, die uns zum Campus des Buffalo State College bringen sollte.
»Wir müssen die Neuen auschecken«, sagte er und war schon betrunken, bevor wir überhaupt dort waren. Wir erreichten Porter Hall, wo sich Gruppen von eifrigen Erstsemestern versammelt hatten. Jehangir versteckte seinen Iro unter einer schwarzen Skimütze und sah damit eher aus wie jemand, der im Straßenbau oder auf den Docks arbeitete, als wie ein Punk. Fasiq hatte seinen aufgestellt und trug seinen Operation-Ivy-Kapuzenpulli. Rude Dawud trug seinen üblichen Pork-Pie-Hut. Meine Klamotten waren irgendwie allgemein. Ich wüsste nicht, wie ich sie beschreiben sollte; es waren einfach Klamotten. Ich hatte sie im Einkaufszentrum gekauft. Sie sagten eigentlich nichts über mich aus, dachte ich.
Als wir vor der Porter Hall standen, weitete ich meine Pupillen, so wie man es bei den 3D-Bildern macht, auf denen man irgendetwas Verstecktes erkennen soll, und ließ meinen Blick über die 32 fluoreszierenden Scheiben der Aufenthaltsräume schweifen, die auf acht Stockwerke verteilt waren; zugleich stellte ich meine Ohren auf Durchzug, um die Gespräche rundherum auszublenden, sodass ich nur noch ein schwaches Gemurmel hörte, ohne die Worte zu verstehen. Das Collegeleben –
Weitere Kostenlose Bücher