Taqwacore
unser Publikum nur aus verdammten Muslimen besteht, welches Symbol ist dann empörender als der scheiß Davidstern? Das heißt nicht, dass irgendeiner von diesen Typen Zionist oder gegen die Palästinenser oder was weiß ich ist, es soll nur eine Reaktion provozieren.«
»Aber was soll das«, hakte ich nach. »Wenn Sid ein Hakenkreuz trug oder diese Typen den Davidstern – wozu soll das gut sein, außer um die Leute zu schockieren?«
»Was meinst du damit?«, antwortete er, als wäre er erstaunt, dass ich das Prinzip nicht gleich kapiert hatte.
»Wieso wollen sie alle gegen sich aufbringen?«
»Weil es Spaß macht.«
Punkrock bedeutet, absichtlich schlechte Musik zu machen, sich absichtlich schlecht anzuziehen, absichtlich zu fluchen und sich absichtlich daneben zu benehmen. Und sich in den Fuß zu schießen, um zu verhindern, dass die Gesellschaft irgendwelche Anforderungen an einen stellen kann, trotz allem aufrecht zu bleiben, sich gut zu finden, wie man ist, und mit den ganzen anderen Losern so etwas wie eine Gemeinschaft zu bilden.
Taqwacore bedeutet die Anpassung dieser Werte an den Islam. Ich war umgeben von absichtlich schlechten Muslimen, aber sie liebten Allah mit einer verrückten Leidenschaft, die über den verschlafenen, geistlosen Ritualismus und die dummen Fantasien des Islam hinausging, die besagen, dass unser Glaube eine eingeschriebene moralische Überlegenheit besitzt, die uns ein Anrecht auf die Herrschaft über die Welt gibt.
Ich glaube, das ist eine gute Sache.
Bei den Taqwacores gibt es keinen Platz für halbherzige Muslime, die so tun, als würden sie nie ein Gebet auslassen. Für solche, die ein pseudo-cooles Leben führen und dann eine Maske aufsetzen, wenn sie in die Moschee gehen. Sie sind schwach und haben keinen Charakter, und die Taqwacores würden sie bei lebendigem Leib auffressen. Wenn du nicht betest, dann tu auch nicht so. Du brauchst keine Komplexe zu kriegen und zu denken, du wärst schlechter als all die Supergläubigen auf der Welt, weil du zum Abschlussball gegangen bist und das jetzt vor allen verheimlichen willst. Sei Muslim nach deinen eigenen Bedingungen. Sag der Welt, sie kann dich mal.
Und das kommt ausgerechnet von mir. Ich stehe für so ungefähr alles, was Taqwacore nicht ist. Aber es gelingt mir ganz gut, so zu tun als ob.
Wir fahren in Fatimas Auto zum Schnapsladen in der Grant Street – ich sitze hinten, Fasiq auf dem Beifahrersitz – und Fasiq legt die Texte von Saves the Day nach Sufiart aus (»In ›At Your Funeral‹ singt er das Essen, das dein Ende zelebriert , und meint damit Schweinefleisch, wusstest du das? Es ist wie Mohammeds Tod, es ist das Ende der Scharia«) und entdeckt bei Moxy Fruvous die Misere des Islam (»Hast du das gehört? Ich hab dir gesagt, ich war der König von Spanien … jetzt muss ich zu Kreuze kriechen …«). Ich akzeptierte langsam, dass Allah zu Fasiq durch Gras und Songtexte sprach. Warum auch nicht?
Wir kehrten mit reichlich Alkohol für unsere Gäste zurück.
»Du wirst bald sehen, wie es wirklich ist«, warnte Jehangir mich, während er Corona-Flaschen unter den wartenden Muslimen verteilte. Die Taqwacores waren wirklich laut. Ich konnte nicht ein verdammtes Wort davon verstehen, was um mich herum gesprochen wurde. Jemand machte Musik an, zuerst kam »Fuck You« von den Germs, aber es ging bald im allgemeinen Lärm unter. Es waren auch haufenweise Mädchen da. Manche waren komplett verschleiert wie Rabeya. Andere trugen normale Hidschabs, die sie mit Bandaufnähern verziert hatten. Irgendwo entdeckte ich einen Betty-Page-Anstecker.
Ein dünner, drahtiger Punk mit dem verlebten Gesicht eines Vierzigjährigen, einem Barbell-Piercing in der Nasenscheidewand, einem hohen schwarzen Iro und etwa einen Zentimeter lang herausgewachsenen Stoppeln an den Seiten drehte sich zu mir um, griff mich am Nacken, und ich sah, wie sein Mund sich bewegte, konnte aber nichts von dem verstehen, was er sagte. Ich sah ihn verdattert an. Er zog mich näher heran und schrie:
»Assalamu aleikum!«
»Wa aleikum assalam«, schrie ich zurück.
»Ich bin der lebende Beweis für all den Scheiß, der behauptet wird.«
»Was meinst du damit?«
»Alles, was der Islam dir vorschreibt«, schrie er in mein Ohr, er hatte eine Bierfahne. »Ich werde dir was sagen: Du solltest es tun , sonst endest du so wie ich. Der Koran verbietet Alkohol, okay? Sieh mich an, Bruder. Ich habe Autos zu Schrott gefahren, habe x-mal eins auf die Nase
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