Taqwacore
»Ja, Muzammil. Sie hassen dich. Und mich hassen sie auch. Sie hassen uns alle aus irgendeinem Grund. Mich, weil ich ein Bier in der Hand halte, dich, weil du Schwänze lutschst, Rabeya dafür, dass ihre Klitoris unversehrt ist. Wir alle tun irgendetwas, das haram ist. Seht uns an. Wir sind diejenigen, die immer ausgeschlossen worden sind, wir wurden geächtet, wir haben Angst, wir selbst zu sein, wenn wir mit unseren verdammten Brüdern zusammen sind. Für uns bauen sie keine Moscheen. Das müssen wir selber machen. Eine verdamme Schwulen-Moschee in Toronto, da bin ich total dafür. Weibliche Imame, Gott segne sie. Was auch immer. Ihr wisst, ich habe nichts dagegen. Aber lasst uns nicht bei diesem Scheißspiel mitmachen und andere Leute ausschließen und an den Rand drängen, wie sie es mit uns gemacht haben. Wollt ihr nur deshalb eine Gemeinschaft, damit sich jemand anderes als Außenseiter fühlt?« Seine Stimme hob sich. »Scheiß drauf«, sagte er scharf. »Scheiß drauf, so klein wie sie zu sein. Lasst uns groß sein. Größer. Wir besiegen sie mit Freundlichkeit. Verdammt, wie können sie euch hassen, wenn ihr sie liebt?«
Dann drängelte sich jemand durch die Menge. »Bruder, Mann …«, war alles, was Jehangir sagte, bevor Umar die Tür öffnete und hinausging.
Empfohlener Soundtrack: »California Babylon« von den Transplants.
Wenn man das Haus voller Leute hat, die nicht wieder gehen, wie soll die Party dann aufhören? Wie soll man da jemals schlafen? Das begann ich mich zu fragen, als um vier Uhr früh immer noch kein Ende abzusehen war. Unten konnte man sich kaum bewegen. Auch der obere Flur hatte sich in einen Hindernisparcours verwandelt, überall saßen Leute, tranken und unterhielten sich oder machten besoffen rum, egal mit wem. Liwats, Sihaqs, Ayyub mit einem Mädchen, dessen Bauch unter ihrem T -Shirt hervorquoll. Umar verbrachte die Nacht im Transporter von Bilal’s Boulder. Ich stellte mir vor, welche Predigten sie sich gegenseitig darüber hielten, wie verkommen das hier alles war. Im Haus gab es keine Predigten, dafür aber tausend Geschichten, Legenden und Sagen über verrückte Sachen, die sich an der Westküste ereignet hatten, unglaubliche Monstrositäten, unvergessliche Konzerte, Berichte, die den Erzähler welterfahren erscheinen ließen, nur weil er dabei gewesen war, und den Zuhörern das Gefühl gaben, sie wären gerade erst dabei, die ganze Vielfalt ihrer gemeinsamen Kultur zu entdecken.
Als es Zeit für Al-Fadschr wurde, war die Hälfte von uns noch wach. Dee Dee Ali stimmte den Adhan an. Alle stellten ihre Flaschen ab und zogen die Schuhe aus. Ich sah mich um. Es standen weit mehr Flaschen herum als Leute. Fasiq machte die Musik aus. Mir fielen die Augen zu. Der große Mahdi von Osama’s Tunnel Diggers leitete das Gebet mit einer Stimme wie eine Tuba, die seinem Äußeren entsprach. Dee Dee stand vorn und sprach den Iqama. Ich hatte keine Ahnung, wer die beiden rechts und links von mir waren. Ich wusste kaum, wie die Hälfte der Typen hieß.
Irgendwann in der Mitte des kurzen Gebets fiel mir auf, dass keiner von uns Ischa gebetet hatte. Was soll’s. Nach dem Al-Fadschr legten sich die Taqwacores einfach dorthin, wo Platz war. Dee Dee Ali und ein paar andere gingen in Jehangirs Zimmer. Rabeya nahm drei oder vier Riot Grrls mit zu sich. Taqwacores drängelten sich in Umars Zimmer. Zwei Liwats schliefen bereits in seinem Bett und keinen von uns kümmerte es, was er dazu sagen würde. Bei mir auf dem Boden schliefen alle vier Bandmitglieder von Vote Hezbollah und noch ein paar andere Typen. Mit dem Gedanken, dass sich etwas Heiliges ereignet hatte, schlief ich ein.
Kapitel IX
Wie viele Propheten gab es? In den Hadithen wurden dazu unterschiedliche Angaben gemacht, doch Asif wusste, dass es nicht weniger als 120 000 sein konnten. Gehörten Propheten aus anderen Welten auch dazu? Vermutlich nicht; dann wären es Milliarden, sogar Trilliarden. Es sei denn, wir waren die Einzigen, die eine Seele hatten.
Asif kniete im purpurroten Staub und machte Tayammum. In einiger Entfernung standen zwei Marsianer, die ihn bei ihrem Abendspaziergang bemerkt hatten und nun zusahen.
»Was tut er da?«, fragte der eine, als Asif auf seine Knie fiel.
»Ich habe die Erdlinge schon früher beobachtet«, antwortete der andere. »Sie beten so zu ihren Göttern.«
»Heiden«, sagte der erste. »Welche Götter verehren sie? Was für Vorstellungen haben sie von Religion?«
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher