Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
Freundschaft. Und dann lag da heute Nachmittag etwas Seltsames in deinem Blick, als du sagtest, du würdest ihn begleiten.« Zaeena musterte ihre Tochter.
Diese vermochte nicht zu verhindern, dass sich ihr Inneres leicht verkrampfte. »Es ist etwas kompliziert.«
Ihre Mutter musterte sie eindringlich, und plötzlich nickte sie verstehend. »Du warst mit seinem Zwilling zusammen, diesem magischen Doppelgänger aus Gongathar. Und jetzt ist er tot, aber Tarean erinnert dich unablässig an ihn. Habe ich recht?«
Auril presste kurz die Lippen zusammen. »Nein, das ist es nicht. Nicht nur. Aber ich will nicht mit dir über ihn sprechen. Du sagtest doch selbst, dass man nicht der Vergangenheit nachhängen soll. Und Tarean ist eine Episode meiner Vergangenheit.« Wenn auch eine zu kurze , fügte eine unerwünschte Stimme in ihrem Hinterkopf hinzu.
»Wenn du das sagst.« Der Satz blieb bedeutungsvoll zwischen ihnen in der Luft hängen, als die Ritterin sich umwandte und den Blick wieder ins Feuer richtete.
Als der Morgen über Bristaja graute, verabschiedeten sich die Gefährten voneinander. Während Iegi, Callyn, Haffta, Janosthin und die drei Kristalldrachenritter mit all ihren Reittieren sich nach Südosten wandten, um sich dem Heer der Alben und ihrer Verbündeten anzuschließen, blieben Tarean, Auril, Bromm und Moosbeere in der Hafenstadt zurück, um ein Schiff aufzutreiben, das sie zur Insel ohne Namen bringen würde.
Dieses Unterfangen erwies sich als schwieriger als zunächst angenommen. Die einen verdienten sich im Augenblick eine goldene Nase, indem sie Flüchtlinge aus Istri und Ankwar nach Norden verschifften oder Waffen und Söldner nach Süden. Die anderen fürchteten sich aufgrund der Gerüchte über die Macht Gongathars so sehr, dass sie den heimischen Hafen überhaupt nicht mehr verlassen wollten. Erschwerend kam hinzu, dass niemand, der Tarean und den anderen anfangs noch sein Ohr geliehen hatte, ein Interesse an der Fortsetzung des Gesprächs zeigte, nachdem klar wurde, dass es sich um eine Reise ohne bekanntes Ziel und ohne sichere Wiederkehr handelte. Auch der Hinweis, dass diese Fahrt wahrscheinlich den Krieg in Nondur entscheiden würde und für alles Leben auf Endar von höchster Wichtigkeit sei, schien eher abschreckend zu wirken, als die Heimatliebe in den Herzen der ansässigen Handelsfahrer zu wecken.
Gegen Abend fanden sich Tarean, Auril und Bromm in seiner Menschengestalt am Rand des Hafens von Bristaja ein. Erschöpft und entmutigt lehnten sie sich auf die halbhohe Mauer, die oberhalb der felsigen Küste verlief. Ein frischer Wind wehte um ihre Nasen und brachte neben dem Kreischen von Seevögeln die Geräusche des nahen Hafens mit sich, wo auch um diese Stunde noch geschäftiges Treiben herrschte. In der Luft hing ein für Tareans Empfinden fremdartiger Geruch von Salz und Seetang, und am westlichen Horizont, dort, wo Himmel und Meer miteinander verschmolzen, stand die untergehende Sonne und schickte ihnen ein paar letzte warme Strahlen entgegen.
» Und wieder spüre ich den Ruf der endlosen blauen Weiten. Ich wünsch’ mir nur ein stolzes Schiff und Sterne, die mich leiten. «
»Was sagst du?« Tarean blinzelte und wandte den Blick von den glitzernden Wellen ab, die mit leisem Schmatzen gegen die niedrigen Felsen schlugen.
»Es ist ein altes Seemannslied«, sagte Auril. »Ardo hat es mir beigebracht, als er noch kein fehlgeleiteter Diener des Bösen war.« Die Albin seufzte und strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, die der Wind vorwitzig aus ihrem nur lose zusammengebundenen Haargeflecht gezogen hatte.
Tarean war noch nie am Meer gewesen. Er hatte Berge erklommen, Zauberwälder durchquert, war durch das Inferno der Glutlande gegangen und bis in die Dunkelreiche hinabgestiegen. Aber er hatte noch nie das Meer gesehen. Er fragte sich, ob sein Zwilling, der mit Auril und Fenrir in die Hafenstadt Nonuada gereist war, Zeit gefunden hatte, zur Küste zu laufen und einen Blick auf dieses unermessliche Blau zu werfen, das sich vor seinen Augen bis zum Horizont erstreckte. Er konnte es sich kaum vorstellen, denn der andere Tarean hatte nach seiner Rückkehr kein Wort über das Meer verloren, und es hätte ihn verwundert, wenn sein Zwilling von dem Eindruck nicht ebenso überwältigt gewesen wäre wie er selbst.
»All die Jahre hielt ich die Arden für groß und majestätisch«, murmelte Tarean. »Dann belehrten mich die Wolkenberge eines Besseren. Aber das hier übertrifft alles
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