Tarean 03 - Ritter des ersten Lichts
elender Mistkerl, Hauptmann«, grollte der General. »Die Vorväter mögen Euch strafen.«
Der Hauptmann betastete seine Schnauze, sagte aber nichts, sondern wartete auf weitere Befehle.
Jaular senkte den Kopf. Tief in seinem Herzen hegte er die Befürchtung, dass der Hauptmann das einzig Richtige getan hatte. Er hatte die Leben weniger zugunsten der Leben vieler geopfert. »Gebt das Zeichen zum Rückzug. Setzt das zweite Brandschiff gegen das heranrückende Heer ein. Wir machen, dass wir von hier fortkommen.«
»Jawohl, Herr«, bellte der Soldat und salutierte, doch der General hatte sich bereits abgewandt und stapfte davon. Er fühlte sich ausgelaugt und leer. Vor seinen Füßen tanzte sein eigener Schatten im rötlichen Licht der zum Himmel emporschlagenden Flammen.
Der rötliche Schein des Kaminfeuers lag auf Zaeenas grauem Antlitz, als Auril den Schankraum betrat. Es war nicht sonderlich kalt, schließlich herrschte Hochsommer. Der Wirt hatte das Feuer eher der gemütlichen Atmosphäre wegen am frühen Abend entzündet. Mittlerweile war es weit nach Mitternacht. Die letzten Gäste hatten sich verabschiedet, Tarean und alle anderen hatten sich in die Zimmer zurückgezogen, die ihnen zugewiesen worden waren, und auch ihr Gastgeber war in seine Stube hinaufgestiegen. Die Kristalldrachenritterin saß allein auf einem Stuhl, stützte ihren rechten Stiefel an einer der Bänke ab und starrte gedankenverloren in die kleiner werdenden Flammen, die den Raum hinter ihr nur noch sehr schwach erhellten.
Unwillkürlich huschte Aurils Blick von Ecke zu Ecke, suchte in den Schatten nach Anzeichen von Angreifern. Doch es rührte sich nichts. Verdammte Dunkelgeister , dachte sie. Man kann kein Auge mehr schließen, ohne Angst zu haben, dass man beim Erwachen in fahle Lichtpunkte blickt, die aus einem schattenhaften Gesicht herausleuchten. »Kannst du auch nicht schlafen, Mutter?«, fragte sie.
Zaeena wandte ihr den Kopf zu. Ihre grünen Augen glühten im Halbdunkel des Zimmers. »Nein.«
»Darf ich mich zu dir setzen?«
Aurils Mutter machte eine einladende Bewegung.
Die junge Albin nahm sich einen zweiten Stuhl und drehte ihn um, sodass sie ihre Arme auf die Lehne legen konnte, als sie sich setzte. Eine Weile saßen die beiden Frauen ohne ein Wort nebeneinander.
»Darf ich dich etwas fragen?«, unterbrach Auril schließlich das Schweigen.
»Sicher«, erwiderte Zaeena.
»Was wirst du tun, wenn du in Jeorhels Heer Vater wiedertriffst? Sinjhen ist einer der engsten Vertrauten des Hochkönigs. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er ihn nach Nondur begleitet.«
»Ich weiß es nicht. Es ist siebzehn Jahre her, dass wir auseinandergingen. Er weiß nicht, welches Leben ich geführt habe, und ich weiß nicht, welches Leben er geführt hat. Ich nehme an, wir werden uns wie Fremde gegenüberstehen.« Auf Zaeenas Zügen lag eine abweisende Kühle, doch ein Zucken ihrer Augenbrauen verriet Auril, dass ihre Mutter ihren eigenen Worten keinen rechten Glauben schenkte.
»Er hatte nie mehr eine andere Frau«, sagte Auril, doch dann zögerte sie. Genau genommen war sie selbst in den letzten Jahren nicht oft zu Hause gewesen. Das Einzige, was sie mit Sicherheit sagen konnte, war, dass Sinjhen während ihres Aufenthalts in Cayvallon dort keine Gefährtin gehabt hatte, die ihr aufgefallen wäre. »Glaube ich«, fügte sie daher mit etwas Verspätung hinzu.
Zaeena ließ ein leises Schnaufen hören. »Dann ist er zu bedauern. Ich habe ihm immer gewünscht, dass er eine neue Frau finden würde, mit der er glücklich wird. Man darf nicht ewig der Vergangenheit nachhängen.«
»Wenn du das sagst« , entgegnete Auril. Sie schwieg für einen Moment und fuhr dann leise fort: »Ich hoffe dennoch, dass ihr euren Frieden machen könnt. Das habt ihr euch beide verdient.«
Die Ritterin wandte ihr mit spöttischem Lächeln den Kopf zu. »Wann bist du so erwachsen geworden, dass du entschieden hast, nicht nur das Gelingen deines eigenen Geschickes, sondern auch noch das deiner Eltern auf dich zu nehmen?«
Einen Herzschlag lang fühlte sich Auril von den Worten ihrer Mutter vor den Kopf gestoßen, doch dann kam ihr ein Gedanke, und ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. »Ich nehme an, Tarean färbt auf mich ab. Und der versucht immerhin, alle halbe Jahr die Welt zu retten.«
»Was ist eigentlich los zwischen euch beiden? Schon am ersten Tag, als wir uns trafen, hatte ich das Gefühl, dass mehr zwischen dir und Tarean besteht als bloße
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