Tatjana
als an die Leute, die sie gekauft haben. Ich suche Ihnen den Auftrag anhand der Quittung heraus. Signor Bonnafos, meine ich mich zu erinnern. Ich habe ihm gesagt, er brauche keine zehn Gänge, acht würden reichen, aber er glaubt, er fährt bei der Tour de France mit.«
»Ein Stahlrahmen, kein Karbon?«
Lorenzo gab ein Geräusch von sich wie nach einem Witz. »Karbon ist prima, bis es bricht. Wir haben seit über hundert Jahren nur Stahl verbaut.«
»Ihre Hilfe ist überaus wichtig. Würden Sie mich anrufen, wenn Sie die Nummer für das Fahrrad finden? Erinnern Sie sich zufällig auch an den Vornamen?«
Joseph Bonnafos, achtunddreißig Jahre alt, Nationalität Schweizer, Dolmetscher und Übersetzer, alleinstehend, Jahreseinkommen zweihunderttausend Euro. Keine Vorstrafen. Erhielt ein russisches Touristenvisum, reiste über den Moskauer Domodedowo-Flughafen ein, flog am gleichen Tag nach Kaliningrad weiter, laut Informationen aus Datenprogrammen des Innenministeriums, das Menschen auf dieselbe Weise beobachtete und katalogisierte, wie Astronomen unablässig den Nachthimmel absuchten.
Da gab es noch eine Fußnote. Vor dem Flug nach Kaliningrad hatte das Bodenpersonal sich geweigert, sein Fahrrad mit Hartschalenverpackung einzuladen, da es zu groß und zu schwer sei. Bonnafos hatte jemanden angerufen, der jemanden angerufen haben musste, denn nach einer Minute wurde das Fahrrad mit besonderer Sorgfalt verladen.
Arkadi war nicht abergläubisch, doch er glaubte daran, dass Schwungkraft nur existierte, wenn man sie benutzte. Er rief dieselben Kaliningrader Hotels an wie zuvor und fragte diesmal nach einem Gast namens Bonnafos. In allen Hotels bis auf eines nahm man sich am Empfang zumindest die Zeit, in der Gästeliste nachzusehen, bevor mit »Nein« geantwortet wurde. Die Ausnahme war das Hydro Park, das sofort »Nein« sagte. Arkadi fragte sich, ob die Empfangsdame genauso schnell war, Leutnant Stasow zu alarmieren. Nur so ein Gedanke.
Arkadi versuchte, Tatjanas Schwester zu erreichen. Ludmilla Petrowna war nicht zu Hause, aber eine Nachbarin, die zufällig in der Wohnung war, sagte, Ludmilla käme in einer Stunde zurück.
Und er versuchte, Viktor im Auto zu erreichen.
»Hast du Glück mit Swetlana gehabt?«
»Sie sitzt im Nachtzug nach Kaliningrad, kommt morgen früh um neun Uhr fünfzig an.«
»Erstaunlich. Wer hat dir das erzählt?«
»Conan. Er mag zwar nach Zentralasien aufgebrochen sein, kam aber nur bis zur Säuferzelle. Dort kennen sie mich. Er hatte meine Karte dabei, und ich hab ihn rausgeholt.«
»Gut gemacht.«
»Also kannst du jetzt nach Kaliningrad fliegen und Swetlana zurückbringen. Auf diese Weise können wir die Ermittlung eingrenzen. Nur wir, nur Moskau, ja?«
»Leider wird es ein bisschen komplizierter. Die Ermittlungen sind umfangreicher geworden.«
»Mir gefällt ›erweitert‹ nicht, und ›kompliziert‹ kann ich nicht leiden«, sagte Viktor.
»Zwei Tage bevor sie ermordet wurde, ist Tatjana nach Kaliningrad geflogen und kam mit einem Notizbuch zurück. Das kann bisher niemand lesen, weil die Notizen von einem professionellen Dolmetscher in einer Art persönlichem Code geschrieben wurden. Er könnte uns helfen, aber er ist tot, erschossen am selben Strand, an dem das Notizbuch gefunden wurde. Wir haben seinen Namen. Joseph Bonnafos, Schweizer, ein Dolmetscher. Wer weiß, sein Notizbuch könnte uns vielleicht alles erzählen, was wir wissen müssen.«
»Wo ist es jetzt?«
»Verschlossen in meinem Schreibtisch.«
»Du weißt nicht, wofür die Notizen waren?«
»Für so etwas wie eine internationale Veranstaltung, nehme ich an, da sie einen Dolmetscher brauchten.«
»Kann sich die örtliche Polizei nicht um die Sache kümmern?«
»Der Fall wird von einem Leutnant Stasow torpediert, der die Hotels von Kaliningrad als sein Stück des Kuchens zu betrachten scheint. Zum Tod von Bonnafos hat es keine richtige Ermittlung gegeben.«
»Warte mal, wir haben uns nur dazu verpflichtet, Tatjanas Leiche zu finden«, protestierte Viktor. »Sie zu finden, nicht wer sie umgebracht hat, falls sie umgebracht wurde. Und jetzt telefonierst du mit Leuten in Kaliningrad? Sie wurde nicht in Kaliningrad umgebracht, und ihre Leiche ist auch nicht in Kaliningrad. Als vollkommen nüchterner Mann sage ich, wir sollten bei dem bleiben, was wir wissen.«
»Da gibt es auch noch ein vermisstes italienisches maßgefertigtes Fahrrad«, sagte Arkadi.
Viktor hatte bereits aufgelegt.
Wie merkt ein Mann, wann
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