Tatjana
bei BMW « und so weiter stattfanden, bei denen zwar Dolmetscher gebraucht wurden, aber ohne Angaben zur Person. »Kaliningrad Hotels« ergab eine Liste, die ein Fitnesszentrum, Innenpools und Ausblicke auf die Altstadt und den Siegesplatz boten. Auf die genauere Anfrage nach »Kaliningrad Konferenzhotels« wurden WLAN , Geschäftszentren, Konferenzräume und echte russische Banjas angeboten. Arkadi stellte sich ausländische Geschäftsleute vor, rot wie Hummer, die sich gegenseitig mit Birkenreisern schlugen.
Arkadi war sich ziemlich sicher, dass ein internationaler Dolmetscher gut bezahlt wurde und komfortabel reiste. Die Möglichkeit, dass der tote Mann bei Freunden übernachtet hatte, schloss er aus. Warum auf einer Couch schlafen, wenn er die Vorzüge eines Luxushotels genießen konnte, für das seine Auftraggeber wahrscheinlich die Rechnung zahlten? Sie würden ihren Dolmetscher in Reichweite haben wollen, wenn er für ihre Geschäfte unverzichtbar war. Außerdem hatte der Dolmetscher etwas Einzelgängerisches an sich. Arkadi konnte sich keine zwei Menschen vorstellen, die weniger gemeinsam hatten als dieser Mann und Tatjana Petrowna.
Wie lange würden sie die Leiche des Dolmetschers aufbewahren, wenn niemand Anspruch darauf erhob? Das hing vom Platz im Leichenschauhaus und dem Leichenbedarf der medizinischen Fakultät ab, was in dem Fall bedeutete, dass er zerschnibbelt würde, Scheibchen für Scheibchen, wie ein spanischer Schinken.
Arkadi rief bei den wenigen Vier- und Fünfsternehotels in Kaliningrad an. Die Reaktionen waren demütigend.
»Sie wollen wissen, ob wir einen Gast verloren haben. Sie wissen weder seinen Namen noch seine Nationalität. Wann er eingecheckt oder ausgecheckt hat. Ob er bei einer Konferenz war oder alleine. Sie glauben, er fuhr mit einem Fahrrad. Das ist alles?«
»Ja.«
»Soll das ein Witz sein?«
»Eher nicht.«
Ein Hotel teilte Arkadi mit, dass »alle Nachforschungen zu kriminellen oder verdächtigen Aktivitäten sofort Leutnant Stasow gemeldet werden müssten«. Ein traumhafter Posten, dachte Arkadi, mit ständigem Zugang zu sämtlichen Pässen, Kreditkarten und Gepäck.
Arkadi ging zu »Fahrradverleih« über. Er bezweifelte, dass jemand sein eigenes, maßgefertigtes Fahrrad in eine Stadt mitnehmen würde, die berühmt dafür war, dass alles, was Räder hatte, gestohlen wurde. Das Problem war, Diebe machten keine Werbung, und nur wenige Läden konnten sich Websites leisten.
Mittag. Nach vier Stunden am Computer hing ihm der bittere Kaffee zum Hals raus, und er ging in einen Irish Pub um die Ecke. Der Barmann war ein echter Ire, umgeben von einer auf irisch getrimmten Atmosphäre: gekreuzte Hurley-Schläger, eine Rangliste irischer Fußballklubs, Leprechauns aus Keramik, und aus den Lautsprechern jaulten The Cieftains. Auf einem Flachbildschirm lief ausgerechnet ein Radrennen. Arkadi sah zu, wie die Räder sich hypnotisierend drehten und drehten. Eine Tafel bot zehn verschiedene Biere vom Fass an. An Speisen wurden unter anderem Sodabrot, Barmbrack, Goody und Crubeens angeboten.
Arkadi war fasziniert. »Was ist Barmbrack?«
»Weiß ich nicht.«
»Was ist ein ›Goody‹?«
»Keine Ahnung.«
»Crubeens?«
»Schweinefüße. Von diesem ganzen Schnickschnack hier kann man glatt verhungern. Kommen Sie heute Abend wieder. Wir haben Kellnerinnen mit kurzen Röcken, die auf dem Tresen Stepptanz machen.«
Dem fühlte sich Arkadi nicht gewachsen. »Nur ein Bier und Sodabrot.«
»Mit Gluten oder ohne?«
»Nur ein Bier.«
Der Barmann warf einen raschen Blick zum Fernseher. »Das ist der irische Ultramarathon Worldcup. Wollen Sie mal sehen?« Er griff nach der Fernbedienung und fror das Bild ein. »Das bin ich, in dem smaragdgrünen Trikot, direkt hinter dem Arschloch im Union Jack, der gleich stürzen wird. Ich kann’s nicht ertragen.« Er schaltete den Monitor aus. »Dabei läuft es mir jedes Mal kalt über den Rücken. Als wär eine Gans über mein Grab geflogen. Was hatten Sie noch mal bestellt?«
»Nur ein Bier.« Arkadi kniff die Augen zusammen, um das Namensschild des Barmanns entziffern zu können. Mick. Mick klang einigermaßen echt. »Sie kennen sich also mit Fahrrädern aus?«
»Das hoffe ich doch. Wo wollen Sie hin?«
»Bin gleich wieder da.«
Als Arkadi neun Jahre alt war, hatte sich General Renko größtenteils in seine Bibliothek zurückgezogen, in eine Aura aus roten Samtvorhängen. Für Arkadi war das Zimmer tabu. Gelegentlich rief der General nach
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