Tatort Oktoberfest (German Edition)
Tasche vom Laufband krallt, zwinkert er ihm verschwörerisch zu. Der Commissario stöhnt innerlich: Ihm hat er also seine Berufung zu verdanken. Das Oktoberfest ist offensichtlich als Dankeschön zu werten. Er streckt ihm die Hand entgegen: „Come sta? Tutti bene?“
„Hallo Commissario di Flavio. Wie geht es in Palma? Schön Sie in München zu sehen. Freuen Sie sich schon auf das Oktoberfest? Samstag ist es so weit.“
„Zum Feiern habt ihr mich also angefordert?“ scherzt er etwas später, als Wimmer sich in einiger Entfernung zu ihnen mit einem Zollbeamten unterhält.
„Das wäre übertrieben“, windet sich Heimstetten. „Folgen Sie mir. Der Boss wird Sie über den Grund Ihres Einsatzes aufklären. Er kommt gleich nach.“ Heimstetten lotst ihn geschickt zum Ausgang des Flughafens und zu einem Dienstwagen. „Sie können in meinem Appartement im Olympiazentrum wohnen, von dort können Sie alles bequem mit der U-Bahn erreichen. Zur Wiesn-Zeit geht mit dem Auto sowieso nichts“, bedeutet er ihm gönnerisch, während sie auf Wimmer warten. „Wenn Gefahr im Verzug ist, schicken wir Ihnen einen Streifenwagen, versteht sich.“
Als sie auf der Autobahn an der Allianz-Arena vorbeirauschen, erwartet di Flavio, dass sein Kollege auf den Einsatz zu sprechen kommt. Stattdessen kommentiert er die Gegend und das, was sich seit seinem letzten Aufenthalt in München verändert hat. Er zeigt auf das imposante Stadion am Rande der Autobahn: „War die Allianz-Arena bei deinem letzten Besuch schon fertig?“
„Nein, ich glaube nicht.“
„Ja, dann kennen Sie die BMW-Welt ebenfalls noch nicht, oder?“ wirft Heimstetten ein. „Warten Sie, wir fahren für Sie eine Ehrenrunde.“
Di Flavio erspäht rechts neben der Stadtautobahn ein imposantes Gebäude. „Seit meinem letzten Münchenaufenthalt hat sich offenbar einiges getan“, stöhnt er und bemüht sich, bei der Weiterfahrt alle größeren Neubauten eingehend zu mustern. Ein Autohaus fesselt kurz seinen Blick. Wie Spielzeugfahrzeuge wurden die Autos in den vielen Fenstern des Hochhauses neben der Brücke deponiert und bilden ein Fassadenmuster besonderer Art. Leider fliegen die meisten Gebäude zu schnell am Autofenster vorüber, als dass di Flavio sie sich einprägen könnte. Er ist froh, als sie das Präsidium in der Innenstadt erreichen.
Im Büro verschwinden Wimmer und Heimstetten nach einer kurzen Entschuldigung. Di Flavio tritt ans Fenster. Die Frauenkirche grüßt mit ihren beiden Zwiebeltürmen. Ein kleiner Ausschnitt der Fußgängerzone bietet sich seinem Blick. Menschen, mit Einkaufstüten beladen, hasten quirlig in der Kaufingerstraße hin und her. Die düsteren Prognosen der letzten Zeit über die Rezession in Deutschland fallen ihm ein. So schlimm, wie die Zeitungen schreiben, kann es nicht sein, denkt er. Aber war München nicht besser dran als andere deutsche Städte?
Wimmers Auftauchen verhindert weitere tiefschürfende Überlegungen. „Wir können.“ Di Flavio folgt Wimmer in einen mittelgroßen Besprechungsraum. Auf dem ovalen Tisch aus glänzendem Mahagoniholz stapeln sich in einer Ecke Unterlagen. Er nimmt auf dem ihm angewiesenen Stuhl Platz. „Kaffee? Entschuldigung, wir haben noch keine Zeit gehabt, uns eine Maschine zuzulegen, aber nächstens gibt es bei uns auch Cappuccino.“
Di Flavio nickt und lächelt. Heimstetten stellt eine geblümte Tasse mit Kaffee und ein Plastikbecherchen Kaffeesahne vor ihm ab. Der Commissario verzichtet auf den Hinweis, dass in Italien nur morgens ein Cappuccino getrunken und ansonsten eher ein Espresso bestellt wird. Aber vielleicht ist inzwischen in Italien auch alles ganz anders. Die Jungen haben ihre eigenen Marotten, und er ist ja schon eine Weile nicht mehr vor Ort gewesen. Er nippt vorsichtig an dem Kaffee. Richtiger Bürokaffee, stark und bitter, etwas abgestanden, den man so nebenbei in sich rein schüttet, ohne ihn zu schmecken, weil man mit den Gedanken woanders ist.
„Die Wiesn wird mehr und mehr von den Medien entdeckt. Die ersten Jahre waren nur die Bayern-Programme mit kleineren Beiträgen dort. Aber das ist Vergangenheit. Jetzt überschlagen sich alle. Ob RTL, München.tv oder sogar Das Erste, alle wollen dabei sein, wenn Paris Hilton den Maßkrug an den Mund setzt oder die schwedische Prinzessin Riesenrad fährt. Selbst arte und 3sat finden noch Themen auf der Wiesn: Kunst auf der Geisterbahn oder so etwas in dieser Art. Dies macht unsere Wiesn zwar interessant, aber alles verkommt
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