Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
heißt.«
»Das ist schwer zu übersetzen«, sagte er in einem beunruhigend fröhlichen Ton.
Tomás nahm eine Flasche aus der Kiste und beugte sich über den Mann.
»¿Dónde está Alejandro? ¿Dónde iría él? ¿Dónde se ocultaría? «
» No, no. Mi primo en Calecia. «
Tomás sah mich an und lächelte. Eine Art Lächeln, das kein Mensch jemals zu Gesicht bekommen sollte. Ein Lächeln, das hinter einer Henkersmaske verborgen werden sollte. Nicht sadistisch, aber erbarmungslos.
Tomás sagte: »Er glaubt, er kriegt, was er will.«
»Vielleicht weiß er gar nichts«, sagte ich. »Er versucht nur, am Leben zu bleiben.«
»Er weiß es.«
»Er weiß auch, dass du ihn umbringen wirst, deshalb fehlt ihm der Anreiz«, sagte ich. »Ich will nicht, dass Alejandro dem Jungen was tut, aber ich weiß nicht, ob ich zulassen kann, dass du diesen Mann umbringst. Mein Gott, Folter? Er ist nur eine arme Sau, ein dämlicher Handlanger.«
»Er begreift aber, dass dies Teil seines Lebens ist.«
Wenn ich nicht so beunruhigt gewesen wäre, hätte ich gelacht. »Das ist doch kein Argument. Das ist Wahnsinn.«
»Er weiß, heute ist sein letzter Tag«, sagte Tomás. »Wenn morgen die Sonne aufgeht, wird er nicht mehr sein. Es ist faszinierend zu beobachten. Niemand weiß, wie er sich in diesem Bewusstsein verhalten wird.«
»Warum erzählt er es dir dann nicht einfach? Um es hinter sich zu bringen? Er hat offensichtliche eine Scheißangst vor dem, was du vorhast.«
»Es ist, wie du sagst. Sein Wissen hält ihn am Leben. Solange er dieses Wissen für sich behält, überlebt er. Auch wenn er sich damit nur eine schmerzvolle Viertelstunde erkauft. Wenn er mir sein Geheimnis verrät, ist er ein toter Mann. Zumindest denkt er so. Niemand steigt leichten Herzens in sein Grab. Alle klammern sich verzweifelt ans Leben.«
»Ich habe gesagt, ich würde nicht zulassen, dass du ihn umbringst.«
»Ich habe gehört, wie du das gesagt hast«, sagte Tomás. »Als du herkamst, ging es dir darum, dass Alejandro dir nichts tut. Mir ging es darum, Alejandro auszulöschen. Jetzt hast du ein anderes Problem. Ich nicht. Ich suche Alejandro noch immer aus demselben Grund, und ich werde zu diesem Zweck die wirksamsten Methoden anwenden, ungeachtet deiner Bedenken.«
Ich wollte, dass Tomás wütend wird. Ich wollte, dass er schreit. Aber er war so verdammt ruhig. Er zeigte kein Gefühl. Ich hatte eine Heidenangst vor ihm.
»Wir sind Freunde, Tomás. Ich brauche deine Hilfe als Freund, ja. Aber als, was weiß ich … Als Mensch kann ich nicht zulassen, dass du einen hilflosen Mann umbringst.«
»Hilflos ist er nur momentan.«
»Wenn du ihn umbringst, nützt das dem Jungen auch nichts. Da bin ich sicher.«
Tomás blickte kurz zu Boden. »Warum nennst du ihn immer nur ›den Jungen‹? Oder den Sohn deines Vaters?«
»Worauf willst du hinaus? Du wechselst das Thema.«
»Er ist doch dein Bruder.«
»Ja, er ist mein Bruder.« Als ich es aussprach, wurde mir bewusst, dass ich ihn zum ersten Mal so bezeichnete.
Er ist mein Bruder.
»Bist du bereit, alles zu tun, um deinen Bruder zurückzubekommen? Bist du bereit, alles zu tun, um die Zukunft deines Bruders zu sichern?«
Meine Gedanken rasten. Ich nahm die Fragen kaum wahr.
Mein Bruder.
»Bist du bereit, alles zu tun, was nötig ist?«
Ich sah ihn nur an und sagte nichts, aber ich kannte die Antwort.
»Du wirst es herausfinden«, sagte Tom und nickte Big Piwi zu.
Der packte mit der einen Hand den Mann am Nacken, mit der anderen fasste er vorne den Stuhl an. Er hob Stuhl und Mann hoch und warf sie krachend auf den Tisch, wobei die gefesselten Hände des Mannes unter ihm eingequetscht wurden. Das Knirschen der Knochen auf dem Holz ließ mich zusammenzucken. Der Mann lag gefesselt auf dem Rücken und schrie. Er versuchte, sich loszustrampeln, konnte sich aber nicht bewegen. Big Piwi packte den Mann bei den Haaren und zog seinen Kopf zur Tischkante. Dann drückte er ihn nach unten, eine Hand auf seiner Brust, die andere auf seiner Stirn. Der Mann wand sich, aber Big Piwi hatte ihn fest im Griff, den Kopf in den Nacken gedrückt und bewegungsunfähig.
Tomás machte die Flasche auf. Ein bisschen Kohlensäure entwich und Blasen sprudelten zum Flaschenrand. Etwas Wasser rann an der Flasche entlang und über Tomás’ Hand. Er ging zum Tisch und beugte sich über den Mann, dessen Gesicht und Ohren knallrot waren.
»Dígame« , sagte Tomás. Dann goss er Mineralwasser in die Nasenlöcher des
Weitere Kostenlose Bücher