Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
sich im Kopf aus.
»Bis gestern wusste ich gar nichts von ihm. Mein Gott, das war erst gestern. Alejandro konnte sich leicht zusammenzählen, warum wir zur colonia gefahren sind. Und rausfinden, mit wem wir
geredet haben. Und dann mit denen reden. Ein Gringo erregt in dem Slum Aufsehen. Genauso wie ein Schaufelkampf. Nur wenige Leute wissen über Pop Bescheid, aber er konnte sich denken, dass der Junge mir etwas bedeutete. Er denkt wahrscheinlich, er wäre mein Sohn.«
»Wenn er noch in der Ciudad Perdida ist, finden meine Männer ihn.«
»Warum sollte er versuchen, sich ihn zu schnappen?«
»Wegen Geld«, sagte Tomás. »Andere Gründe gibt es nicht.«
»Ich habe kein Geld.«
»Viele Mexikaner, vor allem arme Mexikaner, glauben, dass alle Weißen, alle Amerikaner, reich sind. Und im Vergleich sind sie’s ja auch. Ich glaube nicht, dass Alejandro einen gut strukturierten oder durchdachten Plan hat. Denken ist nicht seine Stärke.«
»Was wird er mit Juan machen, wenn er erfährt, dass ich kein Geld habe?«
Er klopfte mir auf die Schulter und ging zurück in den Vernehmungsraum. Er sprach leise mit einem der noch anwesenden Wachmänner, der daraufhin sofort den Raum verließ.
Tomás kam zurück und sagte vor mir stehend: »Wenn er in Mexiko ist, finden wir ihn. Wenn nicht, dann haben wir noch unseren neuen Amigo.«
Vier Zigaretten und ein Magengeschwür später klingelte Tomás’ Handy. Er führte eine lange Unterhaltung auf Spanisch, aber zu schnell für mich. Ich schnappte ein paar Wörter auf, aber nicht den Sinn. Allerdings war Tomás seine Enttäuschung deutlich anzusehen.
Tomás legte auf. »Kein Alejandro. Kein Junge. Sie haben die alte Frau gefunden. Sie ist zusammengeschlagen worden. Sie war … ist bewusstlos. Ich habe einen Arzt hingeschickt. Aber ich glaube nicht, dass sie uns irgendwas Wichtiges erzählen kann, wenn sie wieder zu sich kommt. Sie wird nur bestätigen, was wir schon wissen. Alejandro ist mit dem Jungen abgehauen.«
»Verdammt!«, schrie ich so laut, dass es in meinem Schädel brummte.
Tomás fuhr fort: »Sie sind weg, aber in der Nähe. Er muss sich mit dir in Verbindung setzen. Wenn er Geld von dir will, muss er Vorkehrungen treffen, um ranzukommen. Solange wird dem Jungen nichts zustoßen.«
»Und Alejandro wird nichts zustoßen, solange er den Jungen hat.«
»Deshalb nennt man so was ein mexikanisches Unentschieden.«
Der Mann nannte seine Bedingungen. » Sé donde está el chico . Ich sage dir, wohin er bringt den Jungen. Wir sollten … ¿ C ómo se dice › encontrarlo ‹ ? Ich weiß, wohin er bringt den Jungen. Pero no hablaré aquí. Debo ser libre. Tengo un primo en Calecia . Mein Cousin in Calecia . Bring mich zu mi primo und ich sage es dir.«
Ich nahm Tomás zur Seite. »Kannst du ihn über die Grenze schleusen? Kannst du ihn zu seinem Cousin bringen?« Ich hatte einen Adrenalinrausch. Ich spürte, wie ich zitterte und hektisch wurde und meine Nervosität nicht zügeln konnte.
»Ich kann Leute über die Grenze bringen, klar. Aber den bringen wir nicht nach Calexico«, sagte Tomás ruhig.
»Aber …«, war alles, was ich sagen konnte.
»Wir finden sie schon«, sagte Tomás. »Alejandro hat sich noch nicht mit dir in Verbindung gesetzt. Er ist wahrscheinlich unterwegs. Wir haben also Zeit.«
»Warten wir einfach darauf, dass er anruft? Was ist mit dem Kerl da? Er hat Informationen, die wir brauchen.«
»Genau, und er wird sie uns geben. In diesem Zimmer. Jetzt gleich. Er wird uns sagen, wohin Alejandro den Jungen gebracht hat. Er sollte sie treffen. Er weiß es und er wird es ausspucken. Der macht hier nicht die Regeln«, sagte Tomás. »Ich mache die Regeln in Mexicali.«
Big Piwi kam in den Raum und stellte eine Kiste Mineralwasser auf den Tisch. Dann nahm er Stellung direkt hinter dem zitternden Mann ein.
Ich sah Tomás an. »Willst du etwa Drinks mixen? Wir verschwenden unsere Zeit. Hör auf, den großen Boss zu spielen, und unternimm was, um sie zu finden.«
Bevor Tomás antworten konnte, fing der Mann an, inständig zu flehen: »Nein, nein, nein.« Mit angsterfüllten Augen starrte er auf die Mineralwasserflaschen. Seine Stimme wurde im Rhythmus seiner Atmung mal leiser und mal lauter. Die Lautstärke schwankte wellenartig mit jedem verzweifelten Atemzug.
»Er wird es uns sagen. Zehn, fünfzehn Minuten. Dann sagt er es uns.«
»Was hast du vor, Tomás?«, fragte ich.
»Tehuacanazo.«
»Was heißt das? Ich weiß nicht, was das
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