Taubenjagd: Jimmy Veeders Fiasko
Mannes.
Der Mann schrie. Wasser und rosa Speichel spritzten von seinen Lippen. Er spannte die Halsmuskeln an, bis sie sich verkrampften. Das heftige Würgen eines Erstickenden. Tomás ließ Wasser aus der Flasche rinnen, es quoll aus der Nase des Mannes, seine Stirnhöhlen mit ätzendem Wasser gefüllt.
Ich wandte mich ab, aber ohne hinzusehen, waren die Geräusche noch unerträglicher. Die gurgelnden Schreie des Mannes wurden von der Flüssigkeit erstickt. Die Geräusche eines Ertrinkenden. Ein Mann, der in der Wüste ertrank.
»¿Dónde?« , hörte ich Tomás fragen.
Als Antwort kamen nur noch mehr erstickte Schreie.
Ich verließ den Raum, schloss die Tür und ging den Korridor entlang, bis ich den Mann nicht mehr hören konnte. Außer in meinem Kopf.
Ich setzte mich auf den Boden, zündete mir eine Zigarette an und inhalierte tief. Der Rauch hatte nichts Erquickendes. Er brannte nur in Brust und Bauch. Ich hatte das Gefühl, den Schmerz verdient zu haben.
Eine Viertelstunde später stand Tomás vor mir. »Das kohlensäurehaltige Wasser hinterlässt keine bleibenden Schäden. Es tut nur weh. Weniger zimperliche Leute im Süden benutzen Benzin.«
Ich sagte nichts. Ich dachte an den Mann und das Gebäude, in dem ich mich befand. All dies geschah unter den Augen des »Gesetzes«. Meine Angst vor mexikanischen Gefängnissen hatte sich als begründet erwiesen.
»Wir müssen weg. Du musst weg. Ich erkläre dir alles unterwegs. Alejandro ist nicht mehr in Mexicali. Ich weiß, wo er ist, aber nicht, wie lange noch.«
»Ich kann nicht weg, solange ich nicht sicher bin, dass ihm nichts zustößt.«
»Ihm? Wem? Dem?«, fragte Tomás und sah über die Schulter.
»Ja. Was passiert mit ihm?«
»Lass uns abhauen. Du hast gegenüber Alejandro einen Vorteil. Riskier ihn nicht. Und das Leben deines Bruders.«
»Nein, Tomás. Ich versuche, mir ein bisschen Menschlichkeit zu bewahren. Ich kann das nicht einfach so vergessen.«
Ich atmete zweimal tief durch.
»Es geht nicht nur darum, Juan zu retten. Es geht auch darum, wie es weitergeht. Wenn ich mich um meinen Bruder kümmern soll, dann nicht als jemand, der zulässt, dass ein Unschuldiger umgebracht wird.«
»Ein Unschuldiger?«
Ich hielt Tomás’ Blick stand.
Schließlich schüttelte Tomás mit dem Kopf. Er sah mich an, wie man ein Kind ansieht, wenn man schließlich nachgibt und ihm ein Eis kauft.
»Nur für dich, Jimmy.«
Er streckte mir seine Hand entgegen und half mir auf. Tomás legte mir den Arm um die Schulter, und wir gingen zurück zum Vernehmungsraum. Big Piwi hatte den Stuhl wieder auf den Boden gestellt. Der Mann war nach vorn gesackt und schien nur halb bei Bewusstsein zu sein. Wasser, Blut und Speichel tropften ihm aus Mund und Nase. Tomás nickte Big Piwi zu. Der packte den Mann bei seinen nassen Haaren und hob seinen Kopf an. Der Mann öffnete seine Augen nur ein wenig und sah Tomás mit leerem Blick an.
Tomás fasste den Mann unterm Kinn und sprach ganz langsam und deutlich: » Este hombre acaba de salvar tu vida. Tienes una hora para dejar Mexicali. Si oigo que has vuelto, morirás una muerte muy dolorosa.« Sogar ich verstand sein Spanisch. Der Mann hatte eine Stunde, um aus Mexicali zu verschwinden. Wenn er jemals zurückkam, würde er sterben.
Tomás sah mich an. »Zufrieden?«
»Das trifft es nicht ganz«, sagte ich. »Wo ist mein Bruder?«
Vierundzwanzig
»In der Oase«, sagte Tomás. »Da hat Alejandro den Jungen hingebracht.«
Tomás und ich saßen hinten im Geländewagen. Big Piwis massiger Körper war hinterm Lenkrad eingeklemmt. Er ging kaum vom Gas, als er dem Grenzschutzbeamten am Übergang zunickte. Clubmitglieder haben besondere Privilegien.
»In die Oase«, wiederholte Tomás.
»Was ist das? Eine Art Bar? Ein Nachtclub?«
»Nein, es ist ein Problem. Es ist in Gordons Well.«
»Das ist doch in den Sanddünen Richtung Yuma, stimmt’s?«, fragte ich, da ich mich von früher noch an den Namen erinnerte. »Da draußen gibt’s doch gar nichts. Wie kann er denn dort sein? Da gibt’s nur die alte Bretterpiste und ein paar Quads und Strand-Buggys.«
Ich holte meine Zigarettenpackung raus. Ich konnte Tomás’ Blick auf mir spüren, als ich an der aufgerissenen Öffnung der weichen Papierpackung herumfummelte. Als ich mit den Fingernägeln einen Filter zu packen bekam, sah ich zu Tomás auf. Er schüttelte nur kurz mit dem Kopf. Ich steckte die Zigaretten wieder weg.
Tomás sagte: »Das liegt am Südrand der
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