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Tausche Brautschuh gegen Flossen

Tausche Brautschuh gegen Flossen

Titel: Tausche Brautschuh gegen Flossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliane Kobjolke
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Erinnerungen habe.
    Seit wir hier oben angekommen sind,
ist Christoph schweigsam und hält sich abseits. Lange Zeit steht er an das Geländer
gelehnt, dem ich wegen meiner Höhenangst nicht einmal nahe komme. Ich setze mich
auf eine Steinstufe, die nicht mit Schnee bedeckt ist, und betrachte ihn. Meine
Gedanken kehren zu dem Abend vor wenigen Tagen zurück, als ich zum Fuß des Teide
kam, um meine Ruhe zu haben. Hier begann alles, und auf gewisse Weise ist der Pico
del Teide zu einem Wahrzeichen geworden. Ein Denkmal für all das, was war, was ist
und was nicht sein wird.
    Christoph dreht sich um und sieht
mich an, die Hände in den Taschen seiner Jeans verborgen. Dann wendet er sich an
Nina und Markus. »Wollt ihr’s wie echte Touristen handhaben oder habt ihr Lust auf
mehr?«
    »Kommt drauf an«, überlegt Nina.
»Eigentlich hab ich immer Lust auf mehr.«
    »Schön, das zu hören«, sagt er und
stiefelt los. »Dann vergesst die Seilbahn! Machen wir uns an den Abstieg! Wasser
und Gummibärchen habe ich im Rucksack, falls einer Bedarf hat.«
    »Moment mal!« Markus holt ihn ein.
»Wie lange dauert das denn?«
    »Keine Panik, pünktlich zum Abendessen
bist du im Hotel.«
    Nina ergreift Markus’ Hand und führt
ihn mit sich. »Nun hab dich nicht so! Sind doch nur 1.718 Meter. Das haben wir in
fünf Minuten erledigt.«
    Ich bilde das Schlusslicht. Auf
dem Weg nach unten wende ich mich mehrmals um, um sicherzugehen, dass ich das Bild
verinnerliche, und schließlich, kurz bevor ich in den Jeep steige, um mich vom Teide
zu verabschieden.
     
    Die närrischen Tage werden auf allen Kanarischen Inseln mit großem
Aufwand gefeiert, der auch vor den Touristenhochburgen im Süden keinen Halt macht.
Überall finden Umzüge statt, sowohl Einheimische als auch Urlauber tragen Kostüme
und feiern noch ausgelassener als ohnehin.
    Am Karnevalsdienstag fahre ich mit
Christoph nach Santa Cruz. Teneriffas Hauptstadt wird in diesem Zusammenhang als
das europäische Rio beschrieben, und ich bin gespannt, auf das, was mich erwartet.
    Wieder buchen
wir zwei Hotelzimmer. Der Umzug, ›Coso‹ in der Landessprache, beginnt um 16 Uhr,
und wir wollen nichts verpassen. Schnell ziehe ich mich um – ein Kostüm habe und
will ich nicht, aber die schlichte Urlaubskleidung erscheint mit anlässlich eines
Karnevals dieser Größe unangebracht. Also schlüpfe ich in meine schwarze Röhrenhose
und die Pumps, ziehe eine graue Bluse an und lasse eine Krawatte locker darüber
baumeln. Die Ärmel meines schwarzen Jacketts schlage ich einmal um und stülpe sie
nach oben über die Blusenärmel. Nachdem das Make-up aufgebessert wurde, kann es
von mir aus losgehen. Christoph war ebenso schnell und klopft an meine Zimmertür.
Über einem weißen Langarmshirt trägt er einen graue Leinenweste und eine dazu passende
Hose. Sein Haar hat er zu einem winzigen Zopf gebunden, einzelne lose Strähnen fallen
ihm seitlich ins Gesicht. Sein Lächeln ist die Wucht, sein Duft ist eine einzige
Versuchung.
    Als wir vor das Hotel treten und
sofort in einen Pulk aus jubelnden Menschen geraten, die einem Festwagen folgen,
nimmt er mich bei der Hand.
    Es ist seltsam, mit welcher Selbstverständlichkeit
ich diese Berührung, diese Geste, hinnehme, mit welchem Automatismus sich meine
Finger um seine Hand schließen und ich ihm folge. Und es ist alarmierend, wie ausgeglichen
und wohl ich mich mit ihm fühle. Im Getümmel der Feiernden wendet er sich zu mir
um und feixt und sieht in diesem Moment aus wie ein Spiegelbild meiner Seele.
    Mein Atem wird immer kürzer, während
ich mich durch das Spektakel führen lasse, denn die Luft steht vor Hitze. Eine Stunde
später würde ich die Wasserflasche, an der ich nippe, wann immer ich genügend Platz
habe, am liebsten über meinem Kopf ausschütten. Meine Blicke schnellen von einem
Punkt zum nächsten, von Kostümgruppen, zu Tänzern und spärlich bekleideten Schönheiten,
die zu Salsarhythmen ihre runden Hüften schwingen. Ein Schwarm Travestiekünstler
zieht vorbei. Ihre Bewegungen sind so anmutig und ihre heillos überschminkten Gesichter
so wirkungsvoll, dass ich nicht anders kann, als sie anzustarren. Besucher aus allen
Ländern Europas haben sich versammelt, um den Karneval zu feiern. Das tun sie mit
einer Euphorie, die sich wie eine La-Ola-Welle ausbreitet. Jeder wird angesteckt,
jeder feiert und tanzt und singt. Als es dunkel wird, erhellen Lichtstrahlen die
Nacht. Im Abstand von Sekunden werden die Gesichter um mich herum von

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