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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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zieht sein Schwert und schlägt mit einem Hiebe ein Blatt von eines halben Daumens Dicke von der ganzen Länge der Steinbank ab und stellt dann einen Behälter für die Bratentunke her; das abgeschlagene Blatt aber dient als Schüssel für den Kohl. Die Zuschauer, die um so geeigneter waren, etwas zu bewundern, dieweil ja jeder von ihnen in seiner Art bewundernswert war, zollten der Leichtigkeit und Genauigkeit seiner Arbeit Anerkennung.
    Indessen war Bergspalter seinerseits neugierig, ein Kalb an einem Orte braten zusehen, wo er wed er Feuer, noch Kohlen, noch Holz dazu sah. Gutrücken gab den Bratenwender ab, und der Bratspieß lag auf zwei großen Steinen, die mitten auf einen sehr grünen Rasen gelegt waren. »Wohlan, o Feueratem,« sagte Trinkaus, »tu deine Schuldigkeit, du weißt, daß der Braten nicht anbrennen darf, wir brauchen ein schwaches und gleichmäßiges Feuer, richte dich danach ein!« Feueratem war ein Mann der Tat, der wenig Worte machte, und maß seinen feurigen Atem so gut ab, daß er den ungeheuren Braten, der sich vor ihm drehte, weniger zu braten als goldgelb zu machen schien; und in dem Maße, wie er die Tunke über den Kohl träufelte, schickte er ihm auch etwas Hitze zu, um ihn weich zu kochen. Der Hauptmann schien sehr zufrieden mit der Kunst des Koches zu sein und war bestrebt, auch noch mehr Proben der seinigen abzulegen; er sah, daß man in der Höhle des Derwischs nicht speisen konnte, weil ein sechs Fuß hoher und ebenso breiter Granitfelsen die Mitte der Höhle einnahm. »Entfernt euch ein wenig,« sagte er zu den Umstehenden, »ich will einige Splitter von diesem kleinen Steine abschlagen, die euch etwa ins Auge fliegen könnten; wir müssen doch Platz haben, um unsere Tafel herzurichten!« Gleichzeitig hieb er mit seinem Schwert so geschickt in den Felsen, daß jedes abgeschlagene Stück einer Marmorplatte ähnlich schien, der nur noch die Glätte fehlte. »Welch ein furchtbarer Arm, welch gewaltiges Schwert«, riefen die Augenzeugen solches Geschehnisses aus. »O Brüder,« sprach Trinkaus, »er soll uns den Weg des Ruhmes und Gewinstes ebnen!«
    Man war nun bestrebt, den von diesem ebenso unbequemen wie unförmigen Blocke befreiten Platz zu säubern; die besten und sorgsam aufgehobenen Stücke dienten als Bänke um den Tisch, den vier oder fünf Schwerthiebe des Hauptmanns zu einem vollkommenen Vierecke gemacht hatten und der unten genügend ausgehöhlt war, um dort die Beine unterbringen zu können.
    Darauf sagte Trinkaus: »Noch niemals hat einer unserer Spießgesellen sein Meisterwerk so leicht hergestellt.« Immerschlaf strich sich als Zeichen seiner Bewunderung den Bauch, und solch leichte Reibung ließ schon die Höhle von einem furchtbaren Getöse widerhallen; indessen richtete man den Tisch her. Feueratem trug den Braten auf. »Wein her! Wein her!« rief Trinkaus, indem er einen Sack mit fünfzig Pfund Kuchen heranschleppte; Gutrücken ging fort, um die Fässer zu holen, doch Bergspalter fürchtete des Derwischs Durst und glaubte, ihn seines Gelübdes gemahnen zu müssen: »Nun, o heiliger Mann, ist deine Buße schon beendigt?« »Nein,« erwiderte Trinkaus darauf, »ich werde allerdings einige Schlucke Honigwasser zu mir nehmen müssen, doch bitte ich mir einen Krug Weines aus, um meinen Mund damit auszuspülen!«
    Man setzte sich zu Tische; und jeder tat dem Festmahl Ehre an; man sprach wenig, doch ab und zu erzählte jeder der Kumpane ein Beispiel seiner Kunst, das immer ein Wunderwerk war. Als sie nun so schmausten und Trinkaus seinen ersten Hunger ein wenig gestillt hatte, blickte er um sich her, räusperte sich und sagte: »Wir sind nicht vollzählig, o Brüder; Thalahava oder Wolkengreifer und Ilnafak oder Allverstärker fehlen noch, trotzdem sie herbeigerufen sind, da Immerschlaf so zur Zusammenkunft getrommelt hat, daß es in der Ferne zu hören war!« Als der Derwisch solches geäußert hatte, zeigten sich die beiden Leute am Eingange in die Höhle. »Ihr verdientet,« sprach er zu ihnen, »daß man euch auch nicht eine Kruste zu essen gäbe; ich lege Wert auf geschickte Leute, aber nur, wenn sie ihren Pflichten pünktlich nachkommen; und wenn ihr morgen auch im Dienste nachlässig seid, so werdet ihr euch vor einem gewiegteren Hauptmanne, als ich einer bin, zu verantworten haben; indessen nehmt Platz und trinkt. Nach dem Essen sollt ihr schöne Dinge zu hören kriegen. Ihr sitzt hier unter den Augen eines großmächtigen Herrn, welcher der berühmte Hauptmann

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