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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Bergspalter ist; ihn haben wir zu unserm Feldherrn ausersehen, und er wird uns mustern. Ich für mein Teil lege hier, wie ihr seht, meine Probe ab«; also redend, trank er seinen ganzen Krug voll Weines in einem Zuge aus.
    Die neu Angekommenen hatten nichts zu erwidern und verneigten sich bescheiden; und man setzte das Mahl fort.
    »Auf nun, o meine Brüder,« sagte Trinkaus, als man das Mahl beendigt hatte, »die Musterung soll stattfinden, und laßt uns gleichzeitig die zum Abendessen nötigen Speisen besorgen. O Scharfblick, o Geradinsziel, o Schneidewind, paßt auf!
    O Scharfblick, ich wünsche hundert Pfund Wildbret in vier Stücken. Durchspähe die entlegenen Flußufer und suche uns junge Damhirsche und Rehe und Gazellen; es muß aber alles zart und leicht verdaulich sein.« Der Beauftragte ging alsogleich ans Werk; zuerst schienen seine Blicke das Land in der Nachbarschaft zu durchstreifen, doch allmählich entfernten sie sich immer weiter und schweiften durch das All. »Ha,« rief er aus, »ich habe zehn Meilen von hier, hinter dem Hügel da, etwas Geeignetes für euch gefunden!« Da sprach der Derwisch: »O Geradinsziel, spanne deinen Bogen!« Geradinsziel pflanzte einen Pfahl vor Scharfblick auf, spannte seinen Bogen und schickte sich an, den Pfeil fortzuschnellen. »Also zehn Meilen?« fragte er Scharfblick. »Und dreißig Schritte.« Der Pfeil fliegt, Scharfblick verfolgt ihn mit den Äugen und ruft aus: »Der Damhirsch ist getroffen! »Auf denn, o Schneidewind, setze deine Babuschen in Bewegung und hole das Wild!« Der Befehl wurde auf der Stelle ausgeführt. Trinkaus aber wiederholte dreimal den Auftrag, und in einer halben Stunde waren vier Stück Wildbret herbeigeschafft; man brachte sie Gutrücken, der sie abzog und an den Spieß steckte.
    Trinkaus hatte den Brotsack geprüft. »Wie,« sagte er, »wir haben nur noch dreißig Pfund Brot? O Scharfblick, sieh dich um, wo es frisches Brot gibt!« »Es ist da in Masser ein ganzer Ofen voll, das noch ganz warm ist,« erwiderte er, »der Bäcker wendet ihm gerade den Rücken zu, um sein Backhaus zu säubern!« »Das ist eine herrliche Gelegenheit, Freibrot zu kaufen, auf, o Schneidewind, nimm den Sack und handle ein!« DerBefehl wurde auf der Stelle erfüllt, und das Brot war in der Höhle, ehe es der Bäcker noch vermißte. »Du siehst, o mein Feldherr,« sagte der Derwisch, »daß sich die Speisekammer füllt. Ach, wenn Gutrücken Flügel hätte, könnten wir auch Wein haben, immerhin brauchen wir nicht Durstes zu sterben. Auf, o Wolkengreifer, hasche die vorüberziehende Wolke da und zwinge sie, ihren traurigen Inhalt hier auszugießen; wenn aber Hagel dabei ist, wird es um so besser sein, denn ich ziehe es vor, Eiswasser zu trinken.« Die Wolke war ziemlich hoch; Wolkengreifer zog ein Seidenknäuel aus seiner Tasche und warf es in die Wolke; das Knäuel aber wickelte sich ab, und das Ende fiel bis zur Greifweite herunter. Nun hing sich der Mann daran, und der Dunst schien ihn mit erstaunlicher Schnelligkeit emporzuziehen. »O Freunde,« sagte Trinkaus, »stellt nun eure Krüge in den Regen, der sogleich herunterrieseln wird; und da wir keine Mäntel zum Wechseln haben, laßt uns in die Höhle gehen!« Die ganze Gesellschaft gehorchte, die Wolke sank nieder; Wolkengreifer hatte sie in die Seiten gedrückt und kam wieder mit Hilfe seines Fadens gleichzeitig mit dem Regen herab.
    Bergspalter sah mit Staunen die Ausführung dieses Wunders. »Gib zu, o mein Feldherr,« sprach Trinkaus zu ihm, »daß man unter deiner Leitung mit so wackeren Leuten auf glänzende Erfolge rechnen kann!« Bergspalter erwiderte: »Ich habe noch nie eine Vereinigung solch seltener und gut ineinandergreifender Geschicklichkeiten gesehen; es gibt nichts, was wir nicht unternehmen könnten! Ich lasse mir schon viele Pläne durch den Kopf gehen!« »Warte, sage mir jetzt nichts davon, es würde mich ablenken ... Ich habe etwas ganz Wesentliches vergessen; da wir zu unserer Erfrischung nur Wasser haben, so bedürfen wir wenigstens einiger Flaschen Lebenswasser. Wir haben noch drei Tagesstunden; lassen wir es uns an nichts fehlen«; alsdann rief der Derwisch seine Leute zusammen.
    »O Scharfblick,« sprach er, »und du, o Schneidewind, sucht einige Flaschen Lebenswasser. Ihr wißt doch, daß man sie gewöhnlich auf die Altane stellt, um sie von der Mittagssonne durchglühen zu lassen, steigt auf die nieder; und was man auf einem Wege nicht erledigen kann, das macht man auf zweien.« Der

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