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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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tot, und keine Klage konnte daher statthaben wider ihn. Ich entschied, daß die Alte frei sein, ihre Tochter in die Rechte einer rechtmäßigen Gemahlin treten und diese mit dem jungen Weibe teilen sollte.
    Dies, o Herr,« so endete der Richter Ibn Sinli seine Erzählung, »ist einer der seltsamsten und merkwürdigsten Fälle, die mir je in Ausübung meines Amtes vorgekommen sind!«
    Der Kalif Al-Mutasim saß auf dem Balkone seines Palastes und sah einen armen Greis, der sich mit tausend Mühen fortschleppte, einen Esel, der mit Wasserschläuchen beladen war, vor sich hertreibend.
    Der Kalif ließ ihn rufen und fragte ihn, wie es käme, daß er unter so mühseligem Tagewerk sein Leben so weit gebracht habe, während die Reichen und Wohllebenden in der Blüte der Jahre stürben. »Die Ursache ist,« sagte der Wasserträger, »weil uns Armen aus dem Schlauche des Lebens alles tropfenweise zusickert, während die Reichen den Schlauch auf einmal öffnen und den Strom der Lebenskraft ausgießen!« Dem Kalifen gefiel die Antwort, und er machte ihm ein ansehnliches Geschenk, um seines Alters besser zu pflegen. Wenige Tage hernach erfuhr der Kalif den Tod des Wasserträgers; »Wahrlich,« sprach er, »der Mann hatte so unrecht nicht und hat nun die Wahrheit seines Wortes durch Leben und Tod bestätigt!«
    Dscha'Afar Al-Mansur, der Kalif, hatte ein so glückliches Gedächtnis, daß er jedes Gedicht, das er einmal gehört hatte, auswendig wußte. Er besaß eine Sklavin, die alles Vorgesagte von Wort zu Wort wiederholen konnte, nachdem sie es zweimal gehört hatte, und einen Sklaven, der jedes Gedicht nach dreimaligem Anhören zu wiederholen wußte.
    Er war ein großer Liebhaber der Wissenschaften, für deren Gönner er gern gelten mochte; zugleich aber war er so außerordentlich geizig, daß ihm der Name Dewaniki oder Pfennigknicker geblieben ist. Sooft ihm ein Dichter ein Werk darbrachte, befahl er, sein Gewicht in Gold abzuwägen, vorausgesetzt, daß es neu und nicht aus gestohlenen Gedanken zusammengesetzt war. Las nun der arme Dichter sein Lob- und Preisgedicht vor, so wiederholte es der Kalif sogleich vom Anfang bis zum Ende und sagte: »Das ist ja was Uraltes, du siehst, daß ich es schon längst auswendig gewußt habe!«
    Der erstaunte Dichter erkühnte sich, manchmal untertänigst zu erinnern, daß dies wohl eine glückliche und außerordentliche Naturgabe seiner Erhabenheit sein möchte, einmal gehörte Gedichte von Wort zu Wort wiederholen zu können. Hierauf sagte Al-Mansur: »Nicht im geringsten; diese Verse kennt ja jedes Kind. Siehst du dort die Sklavin und den Sklaven, sie haben es mir schon mehr als einmal wiederholt!« Hiermit forderte der Kalif diese auf, das Gehörte zu wiederholen, was sie kraft ihrer guten Gedächtnisse leicht tun konnten, indem es die Sklavin zweimal: aus dem Munde des Dichters nämlich und dem des Kalifen; der Sklave dreimal: aus dem Munde des Dichters, des Kalifen und der Sklavin, gehört hatte. So kam es denn, daß der arme Dichter, ganz erstaunt ob dieses ohne sein Wissen begangenen Diebstahles, mit leeren Händen abzog und nicht einmal den geringen Preis des Gewichtes in Gold davontrug.
    Asmai, dem diese unwürdige Behandlung seiner Zunftgenossen zu Herzen ging, beschloß, diese und sich selbst am Kalifen zu rächen. Er verfertigte ein kurzes Gedicht, das sich aus den schwersten Worten und härtesten Silben, welche die arabische Sprache hat, zusammensetzte, verkleidete sich als Beduine und kam auf einem Kamele in das Serail des Kalifen gezogen. Der Kalif setzte ihm die bekannten Bedingungen: »O Bruder Araber! Wenn dein Gedicht dein eigen ist, so wäge ichs mit Gold auf, wenn nicht, so erhältst du keinen Dirhem.« Nun sagte Asmai die folgenden Verse auf:
    Das Bülbülbül der Nachtigall – Schlug hoch und tief im Herz.
Die Blumenflur! der Wasserfall – Ein Schelmenaug voll Scherz!
Ich sagte, du gebietest mir, – Mein Schatz, mein Schätzelein!
Wie mancher sehnet sich nach dir, – O mein Gazellelein!
Ich pflückte Rosen durch den Kuß – Von ihrem Angesicht.
Ich sagte: Gib mir Kuß auf Kuß, – Sie aber wollte nicht.
Sie sagte: Nein! mitnichten! nein! – Da schritt ich für und für;
Da neigte sich das Mägdelein – Erzürnt auf die Manier.
Sie schrie und weinte, o! und ach! – Und weh! und ach! und ei!
Ich sagte: Weine nicht, gib nach, – Man sieht die Perlenreih.
Als sie ein wenig stiller ward, – Verlangt ich mehr als Kuß.
Verlangte, weil sich alles paart, – Der

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