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Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen

Titel: Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymer Verfasser
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Stegreife:
    Messias! gib mir Wunderkraft – Zu bändigen die Leidenschaft!
    Denn wenn ich nicht den Tod erflehe – Ich wie der Rauch im Wind vergehe.
    Ich trat dann schnell vor ihn hin, ohne daß er es gewahr wurde, und grüßte ihn; er hob den Kopf auf und gab mir den Gruß zurück und fragte: »Woher bist du? und wer hat dich an diesen Ort gebracht?« »Allah der Herr«, sprach ich. »Da hast du recht,« antwortete er, »denn auch Gott der Herr hat mich in dieser Einsamkeit von den Menschen abgesondert.«
    »Was machst du denn«, fragte ich ihn, »mit dem Bildwerke in deinen Armen?« »O, meine Geschichte ist seltsam und mein Abenteuer wunderbar!« Ich bat ihn, mir das Ganze zu erzählen und keinen Umstand zu verheimlichen. »Wisse,« fing er seine Erzählung an, »ich bin aus dem Stamme der Banu Tamim, und zwar aus dem, der sich zur christlichen Religion bekennt. Dieses Bildnis hier stellt meine Base dar, mit der ich von zarten Kindesjahren an auferzogen wurde. Wir liebten uns, ihr Vater aber, der nichts von unserer Liebe wissen wollte, verwahrte sie unter strenger Aufsicht.
    Desungeachtet fand ich Mittel, sie zu sehen. Als ich mich nun eines Tages allein bei ihr befand, klopfte mein Oheim an der Türe. Sie versteckte mich schnell unter ein Ruhebett, ging und machte die Türe auf. ›Wo ist mein Neffe, der Diener des Messias?‹ donnerte der Onkel. ›Ich habe ihn wahrlich nicht gesehen.‹ ›Ich aber habe seine Stimme bei dir gehört.‹ ›Du hast geträumt, o mein Vater.‹ ›Bei Gott! bekenne die Wahrheit und lüge nicht, sonst soll dich der Allmächtige in Stein verwandeln.‹ ›Ja, wenn ich lüge.‹ Mein Oheim hob nun die Augen und Hände zum Himmel auf und sprach: ›O Gott, der du der Herr bist der Vor- und Nachzeit, wenn du weißt, daß meine Tochter lügt, so verwandle sie in harten Stein!‹ Sogleich, schrecklich zu erzählen, erstarrten ihre Glieder. Dies ist die Statue, die ich Tag und Nacht seit vierzig Jahren in meine Arme schließe. Ich nähre mich von den Kräutern der Wüste und trinke von ihren salzigen Quellen. Des Samums brennender Odem ist kühlender Hauch im Vergleich des Flammenhauches meiner Seele, und der Sand, der dir unter den Füßen glüht, scheint mir erfrischender Tau.
    Dann sagte er weiter aus dem Stegreif:
    Bei Gott, der Herzen enget und erweitert – Der heitre Tag trübt und trübe heitert,
    Der Lebende zur Erde tot hinstrecket – Die Toten in das Leben auferwecket,
    Bei Gott! dem Ewigen! es macht die Liebe – Das Trübe heiter, und das Heitre trübe,
    Sie tötet und erwecket dann zum Leben – Der Herr hat seine Allmacht ihr gegeben.
    Hierauf stand er auf und lief wie rasend umher, seine Kleider warf er von sich, und die Augen rollten wild in seinem Kopfe herum, dann kam er auf mich zu und sprach:
    »O Sohn des Weges, dir will ich nun drei Verse sagen, und wenn ich entschlafen bin, so sollst du mich und diese Statue begraben und die drei Verse als Inschrift auf mein Grab setzen:
    Ihr, die nicht glaubt, daß Liebe tötet – Kommt her zu meiner Grabesstätte,
    Ich wandelte in diesem Dom – Durch vierzig Jahre, ein Phantom,
    Bis in des Lebens leerer Wüste – Der Tod mich endlich freundlich grüßte.
    Als er ausgesprochen hatte, sank er mit der Statue nieder, die er fest mit seinen Armen umklammerte.
    Und er tat einen großen Schrei und gab den Geist auf. Ich nahm aber meinen Mantel, um ihn damit statt eines Leichentuches zu umwickeln, und begrub ihn samt der Statue. Auf das Grab schrieb ich die oben angeführten Verse und besuche es noch jährlich einmal, nicht ohne tiefe Rührung.
     
    Asmai erzählt: Auf meinem Wege nach der Wüste des Stammes Banu Saad kam ich nach Bassorah in den Tagen der Herrschaft Khalids, des Sohnes Abdallahs al-Kapseri. Und ich fand den Palast angefüllt mit einer Menge Volkes, die sich um einen Jüngling von schöner und edler Gestalt drängte. Und fragte, was der Auflauf bedeute, und man sagte mir, es sei ein Dieb, der die vorige Nacht eingebrochen habe. Khalid, der Statthalter, heftete die Augen auf ihn mit Wohlgefallen und befahl dem Haufen, abzutreten, um ihn allein über seine Schuld auszuforschen. »Die Sache ist,« antwortete der Jüngling, »wie sie sagen, und verhält sich, wie sie es angeben.« »Und was konnte dich denn zu dieser Tat bewegen, dich, dessen edle schöne Gestalt die Ankläger Lügen straft?« »Die Begierde nach Reichtum und das von Allah dem Herrn verhängte Schicksal brachte mich zum Falle.« »Dein Aussehen, deine

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