Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
lag, nahm die Rute zur Hand und machte unter der Erde einen Weg nach dem Gefängnisse und fand hier, nachdem er dessen Mauer durchbrochen hatte, den Jüngling, der in frommen Gebeten die Zeit verbrachte. Er rief ihn und nahm ihn bei der Hand und bat ihn nach einer langen Unterhaltung, er möchte guten Mutes sein, und versprach ihm, er würde sich noch mit den größten Freuden seiner lieben Gul erfreuen. Er zog ihn in solcher Weise aus dem Gefängnis, versetzte die Mauer wieder in ihren früheren Zustand und führte Firischte zu seinem alten und schmerzensreichen Vater, der seinen Sohn, als er ihn erblickt hatte, vor übergroßer Freude weinend, umarmte. Weil nun der Tag nahte, und es nicht Zeit war, sich in langen Gesprächen zu ergehen, wandte er sich gegen Dschasimin und beschenkte ihn mit Gaben, die der großen, von ihm empfangenen Wohltat entsprachen, und bat ihn gar sehr, nachdem er Firischte vom Tode befreit habe, nun auch darum Sorge tragen zu wollen, ihn an einem Orte der Stadt bis zu der Zeit zu verbergen, wo man andere Mittelhabe, ihn zu befreien. Hiermit war Dschasimin sofort einverstanden; und nachdem er von dem Greise eine gute Summe Geldes erhalten und einige Vorräte eingepackt hatte, die sie zu ihrem Unterhalte bedurften, mietete er ein Haus, das nächst der Stadtmauer lag, und führte Firischte dorthin. Als nun der Morgen gekommen war, wollten die Diener des Königs nach seinem Befehle handeln, gingen leise dem Gefängnisse zu und traten ein, fanden aber Firischte nicht. Sie zündeten auch viele Lichter an, um zu sehen, ob es irgendwo beschädigt wäre, sahen es aber ganz und unversehrt. Über dieses Ereignis ganz erstaunt, eilten sie sogleich zu den Wesiren des Königs und erzählten es ihnen; die waren höchlichst verwundert und legten dieses verschieden aus. Die einen meinten, wenn das Gefängnis an keiner Stelle erbrochen wäre, hätte sich um der Unschuld des Jünglings willen ein Wunder ereignet; dem stimmten nun andere nicht bei und sagten, daß die Christenleute voll der Listen wären und dem Könige Firischtes Rettung zuschieben würden, weil er wider das muselmännische Gesetz in seinem gefällten Urteile verharrt hätte. Da sie jedoch das grausame Gemüt des Königs kannten, der, wenn es ihm beifallen konnte, daß die Diener Firischte um Geldes willen hätten fliehen lassen, diese mit einem grausamen Tode bestrafen würde, so beschlossen sie, ihm dieses nicht zu offenbaren. Sie befahlen den Dienern, sie sollten einen andern des Todes würdigen Übeltäter aus dem Gefängnisse ziehen und in das Meer werfen und sogleich dem Könige berichten, daß sie des Morgens in aller Frühe Firischte den Tod gegeben hätten. Als sie dies unverzüglich ausgeführt und dem Könige über Firischtes Tod Bericht abgelegt hatten, wurde der darüber unsagbar fröhlich und heiter. Dann ließ er Guls Vater mitteilen, er sollte seine Tochtervor ihn bringen; da ja ihr einstiger Gatte Firischte von ihm des Lebens beraubt wäre, so wollte er sie jetzt nach seinem Gesetze heiraten. Der furchtsame Alte fürchtete nun, was seiner Meinung nach Firischte zugestoßen wäre, könnte auch über seine Tochter und ihn kommen, wenn er sich nicht sogleich dem Könige fügte; er ließ ihn daher wissen, daß seinem Wunsche gemäß ihm nicht nur seine Tochter, sondern auch alles, was in seiner Macht wäre, zur Verfügung stände. Als sich aber die unglückliche und schmerzensreiche Jungfrau in einen so unseligen Zustand versetzt sah und erfuhr, daß der, welcher ihren geliebten Firischte eines so grausamen Todes hatte sterben lassen, sich ihrer erfreuen wolle, fing sie bitterlich zu weinen an und wurde so verzweifelt, daß sie beschloß, sich selbst das Leben zu nehmen. Sie nahm ein Messer und wollte sich mit ihm entleiben, doch wurde sie von einer Tochter ihrer Amme, die Akil mit Namen hieß und immer um sie war, daran gehindert. Die nun schmähte sie deswegen gar sehr und bewies ihr, welch großer Fehler die Verzweiflung wäre, und daß ihre Seele, wenn sie sich selbst getötet hätte, zur Strafe ewiglich in dem höllischen Feuer verweilen müßte. Und Akil brachte sie mit diesen und andern Reden von ihrem schwarzen Vorhaben ab und sagte auch noch, sie könnte den Worten nicht leicht Glauben schenken, die der Tyrann in der Stadt hätte verbreiten lassen, daß er Firischte umgebracht habe, was sie auf keinen Fall glauben wollte. Da antwortete ihr die weinende Gul: ›Ich erkenne wahrlich, o liebe Akil, da du solche Sorgfalt
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