Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
hatte er aber einen seiner vertrauten Diener beauftragt,augenblicklich die vier obersten Stufen der Treppe, die in die Küche führte, hinwegzunehmen, was vollkommen ausgeführt wurde. Als er nun lange verliebte Gespräche mit der Jungfrau geführt hatte, heuchelte er Schlaf. Sie aber, die schlecht war und nicht den Fürsten, sondern den Koch liebte, erhob sich ganz sachte von seiner Seite, nahm ihre Gewänder unter den Arm und ging nach der Küche, und bei der Treppe angelangt, setzte sie den Fuß auf, um hinabzusteigen, fand aber keine Stufen und fiel hinab; da die Treppe aber hoch war, brach sie alle Knochen und verschied sogleich aus diesem Leben. Darüber war der Fürst gar froh und heiter, doch zeigte er dem, der ihm die Kunde brächte, großen Kummer deswegen. Und weil nur noch die dritte zu seiner Rache übrig war, ließ er sie folgenden Tages spät abends zu sich rufen; wie sie vor ihm stand, umfing er sie herzlich und speiste mit ihr, wie er es mit den beiden andern getan hatte, und unterhielt sich mit ihr bis zur Stunde des Schlafengehens in mancherlei Gesprächen; doch dann legten sie sich aufs Lager. Nun hatte er aber einem vertrauten Großen aufgetragen, die Tonvase zu rauben, die sie unter die Arme zu nehmen pflegte, um mit heiler Haut über den Fluß zu kommen, und auf denselben Platz, wo sie lag, eine andere ihr ganz gleiche zu legen, die ungebrannt war. Das hatte der sorgfältig ausgeführt. Als nun der Fürst bei dem falschen Weibe lag und sich mit ihm lange über verliebte Dinge unterhalten hatte, wie er es das erstemal getan, stellte er sich eingeschlafen. Sowie die Jungfrau das merkte, nahm sie ihre Gewänder, ging aus dem Gemache hinaus und eilte an den Fluß, legte ihre Kleider auf den Kopf und nahm das Gefäß, welches ungebrannt war, und legte es im Glauben, es sei das gewohnte, unter die Arme und stieg in den Fluß, wo dasungebrannte Gefäß untertauchte; und sie ertrank alsbald. Dies wurde dem Fürsten andern Tages gemeldet; da war er hocherfreut, weil er sich an den drei schlechten und ruchlosen Weibern so streng gerächt hatte. Nun wollte er seinen Willen erfüllen und nahm die vierte Jungfrau, die dem Gebete ergeben war, um der Güte und seltenen Tugend willen, die in ihr wohnten, zum Weibe, und feierte höchst feierlich die Hochzeit; und da er mit ihr in kurzer Zeit drei männliche Kinder zeugte, waren seine Untertanen, die Nachkommen von ihm zu sehen wünschten, gar sehr getröstet. Und er verrichtete den ganzen Tag über mit seinem Weibe tugendsame Werke, und sie lebten viele Jahre ein ruhiges und glückliches Leben!«
Wiewohl der Kaiser großes Mitleid mit den drei schlechten Weibern der harten und grausamen Todesart wegen hatte, die von den muselmännischen Fürsten über sie verhängt worden war, so tadelte er doch ihre Missetat und schalt auch heftig auf die Untreue der Frauen. Und nachdem er hiervon zu reden aufgehört hatte, gab er Auftrag, daß sich sein Gefolge folgenden Morgens, am Samstage, in brauner Gewandung, denn mit dieser Farbe war auch der sechste Palast ganz verziert, dort einfinden sollte. Dann machte er sich Samstags früh beizeiten mit allen seinen Großen auf den Weg, und sie kamen nach einer Frist von drei Stunden in dem Palaste an. Dort fand er die Jungfrau, faßte sie bei der Hand, unterhielt sich ein wenig mit ihr über mancherlei Dinge und setzte sich dann an den Tisch, der mit den köstlichsten Gerichten überreich besetzt war. Als er nun nach dem Essen ein wenig in seinem Gemache der Ruhe gepflogen hatte, ließ er den sechsten Geschichtenerzähler vor sich entbieten. Der erschien nun vor seinem Angesicht, machte ihm einedemütige Verbeugung und begann seine Geschichte in solcher Art zu erzählen:
»In Kergan, meinem weit von hier liegenden Vaterlande, das um der Schönheit seiner Gärten und klaren Quellen willen über die Maßen lieblich ist, liegt eine Stadt am Meere, mit Namen Lissar, in der ehemals ein großer muselmännischer König lebte. Der behandelte nun die Bürger und die Fremden gar freundlich und wurde in einer kurzen Zeitspanne sehr berühmt, weswegen seine Stadt immer voll der christlichen und sarazenischen Handelsleute war. Diesem Könige nun folgte, als er zu Tode kam, sein Sohn in der Herrschaft; der aber besaß nichts von der Tugend seines Vaters und war jedem der Bosheit seiner Sinnesart wegen lästig und wurde bitterlich von seinen Untertanen und den Fremden gehaßt. Aus solchem Anlaß nun hatte ein großer Teil der Kaufleute die
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