Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
verkündete, wurde er in hitziger Liebe zu ihr ergriffen und wandte sich gegen Firischte und sprach: ›Ichbefehle dir wahrlich, dir eine andre Jungfrau zu suchen, denn dieses Mädchen hier hast du mir abzutreten, weil ich beschlossen habe, es für meine Vergnügen dazubehalten; solltest du aber in einem Zeiträume von drei Tagen nicht danach gehandelt haben, so lasse ich dir, das wisse, sogleich den Kopf vom Rumpfe herunterhauen!« Solche Worte bereiteten Firischte gar bösen Kummer; er antwortete dem Könige: »O Gebieter, seltsam und hart fürwahr dünkt mich dein Ansinnen zu sein; auf daß du aber schnell deinen grausamen Vorsatz ausführen kannst, obwohl ich weder Mord noch Totschlag begangen habe, und weil ich einen solchen Tod, den du über mich verhängst, nicht verdiene, so höre, daß ich lebend meine Braut weder dir noch einem ändern Menschen zu überlassen willens bin!« Wegen dieser Antwort hielt sich der Fürst für schwer beleidigt, weil er nämlich seinen Bruder getötet hatte, dessen Sohn er, ehe sein Vater aus diesem Leben verschieden war, nach dessen Befehle seiner einzigen Tochter hatte verheiraten sollen. Solche Missetat hatte er nun begangen, um nicht seines Vaters Befehle nachkommen zu müssen; und er hatte seinen Neffen und seine eigene Tochter, die dessen Weib werden sollte, zu ewigem Gefängnis verurteilt. Und da er sich als Mörder und durch Firischtes Antwort des Todes würdig fühlte, sprach er bei sieh selbst: »Da ich meinen Bruder getötet habe, will der hier mit seinen Worten sagen, daß nicht er, sondern ich, der ich ein Mörder bin, die Todesstrafe verdiene!« Da er nun ein Herz voll der bösen Anschläge hatte, befahl er seinen Dienern, man sollte Firischte binden und einkerkern und am folgenden Morgen ganz früh ins Meer werfen. Dann wandte er sich gegen den Vater des Mädchens und sagte: »Du sollst, bis daß ich dich nichts andres hören lasse, deine Tochter, die ich inwenigen Tagen nach meinem Glauben zur Frau nehmen will, bei dir bewachen!« Nach diesen Worten beurlaubte er die unglücklichen und schmerzensreichen Väter, die wegen des Ereignisses in großer Verwirrung waren. Als er nun allein war, wollte er doch, obwohl er heiß in Liebe zu Gul entbrannt war, da noch ein Fünkchen Billigkeit in ihm wohnte, mit seinen Weisen über der ihm von Firischte gegebenen Antwort des Rates pflegen. Er gebot ihnen, vor ihm zu erscheinen, und erzählte ihnen der Ordnung gemäß den ganzen Handel und hieß sie, ihre Meinung darüber zu äußern. Wie die Weisen also des Königs Wunsch gehört und genugsam merkten, daß er wider Firischte keine Ursache hatte, antwortete ihm der älteste von ihnen: »O Gebieter, ich halte es für das beste, wenn der Christenjüngling seiner Fesseln entledigt wird; da er keinen Mord begangen hat, würde es ungerecht sein, ihn des Todes sterben zu lassen. In unserm Gesetze steht geschrieben, daß Mohammed am Tage des Gerichtes alle Muselmänner, die einem zinszahlenden Christen ein Unrecht zufügen, feindlich und mit seinem schwersten Zorne verfolgen will!« Obwohl solche Worte den König in große Furcht versetzten, wollte er dennoch nicht von seinem grausamen Vorhaben lassen und rief seine Diener aufs neue vor sich und trug ihnen auf, den unglücklichen Firischte am folgenden Morgen ins Meer zu versenken. Aber der gerechte Gott wachte über dem unschuldigen Jüngling, und er wollte den ungerechten Richtspruch des Königs zunichte machen und den unglücklichen und schmerzensreichen Vater trösten und fand ein Mittel zu seiner Errettung: es hatte nämlich Firischtes Lehrer einen Sohn mit Namen Dschasimin, der außer vielen andern Tugenden sich auch gar trefflich auf die Kunst verstand, dank der Kraft einer Rute unterirdischeGänge zu machen, die sich binnen kurzer Frist drei oder vier Meilen Wegs erstreckten; und sobald er jede dicke Mauer mit ihr durchbrochen hatte, konnte er sie wieder derart herstellen, daß kein Mensch, er mochte noch so gescheit sein, jemals etwas davon merkte: Als dieser Jüngling in der Späte desselben Tages, an dem Firischte solches Mißgeschick zugestoßen war, von einer langen Reise zurückgekommen war und das grausame und ungerechte Urteil des Königs vernahm, beschloß er, ihn, den er herzlich liebhatte, mit seiner Kunst aus dem Elend zu befreien. Und er ging in das Haus von Firischtes Vater, und tröstete ihn durch diese Nachricht ganz. Wie nun die Nacht hereingebrochen war, ging Dschasimin an den Ort, wo Firischte eingekerkert
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