Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
vermochte, einige Tage in Skutari zuzubringen, um seinen Freund Mohammed zu sehen und sich mit ihm zu freuen. Und nachdem er seiner Mutter die Hand geküßt hatte, unternahm er eines Tages diese kleine Reise; auch ließ er ihr beinahe alles Geld zurück, das er verdient hatte. Er setzte sich in ein Boot; und als er nach Skutari gekommen war, eilte er nach dem Hause seines Freundes, der entzückt war, ihn zu sehen. ›Du kommst gerade zur rechten Zeit, o mein lieber Jahia; man hat mich heute abend zu der Hochzeit eines meiner Nachbarn gebeten; du kommst mit dorthin, und wir wollen uns da ergötzen!‹ ›Da man dich eingeladen hat,‹ entgegnete ihm Jahia, ›ist es dasselbe, als ob man mich aufgefordert hätte, denn alle Welt kennt uns als Freunde; so wird man auch nicht erstaunt sein, wenn man mich mitkommen sieht!‹ Sie brachen auf der Stelle auf und wurden wohl aufgenommen; und als die Stunde des Gebets herangekommen war, folgten sie der Braut nach der Moschee und gingen ihr bei der Rückkehr voraus, wie es die Sitte der Muselmänner will. Die Sänger der Gebete geleiteten sie mit den Imamen bis unter die Türe, wo der ganze Zug sich verabschiedete. Nach den üblichen Gebeten wurde dann die Braut in das Gemach ihres Gatten geführt; danach bot man allen Anwesenden Scherbett an, worauf sich jedermann entfernte.
Jahia und Mohammed gingen mit einigen jungen Leuten ihrer Bekanntschaft in ein abgesondert stehendes Haus, um sich hier zu unterhalten und Wein zu trinken. Ihre Köpfe begannen bereits heiß zu werden, als der, welcher dazu ersehen war, ihnen den Wein einzuschenken, zu ihnen sprach: ›Was machen wir nun, o liebe Freunde? Wir haben den letzten Schluck vor uns stehen!‹ Diese Neuigkeit betrübte sie um so mehr, als es sehr gefährlich war, Wein zu holen; das Verbot nämlich, solchen mit sich zu führen, ist so streng, daß man das Schlimmste zu befürchten hat, selbst des Tags über. Und wenn man gar das Unglück hat, des Nachts ohne Licht, Wein tragend, von denen angetroffen zu werden, so die Stadt behüten und über ihre Sicherheit wachen, darf man nicht die geringste Gnade erhoffen. Nachdem man all diese Übelstände erwogen hatte, wiederholte einer aus der Runde mehrere Male, ohne daß ihm jemand antwortete: ›Wie mag es nur zugehen, daß keiner von uns den Mut hat, Wein zu holen?‹ Jahia fühlte sieh von dieser Rede betroffen und sagte zu sich selbst: ›Ich bin hier der einzige Fremde; die Frage kann sich nur an mich richten!‹ Und sich sogleich erhebend, trug er sich ihnen für solchen Dienst an. Auf Mohammeds Gesicht zeigte sich die Sorge, die ihm dies Angebot machte, und das Wort ergreifend, antwortete er ihm: ›Hast du jemals gesehen, daß zu den Aufträgen der Einheimischen Fremde genommen wurden? Also, o mein lieber Freund, bin ich niemals mit deinem Vorschlage einverstanden. Außerdem kennst du die Wege nicht und läufst noch eher Gefahr als ein anderer!‹ Der ganze Kreis stimmte ihm hierin bei und bat Jahia, sich nicht bemühen zu wollen; aber dadurch, daß sie seinen Mut lobten und seine Gutherzigkeit priesen, bestimmten ihn die jungen Leute, sein Anerbieten aufrechtzuerhalten, wennschon sie das Gegenteil zu sagen schienen. Wie eben ein junger Mann, glaubte Jahia, daß ihn seine Ehre dazu verpflichtete, diesen Weg zu machen. Er verdoppelte deshalb seine Bitten; und als die, welche nur daran dachten, Wein zu bekommen, sahen, daß sich kein anderer meldete, welchen zu holen, sprachen sie schließlich zu Mohammed: ›Widersetze dich seinem Vorhaben nicht länger, er hat Mut und Gewandtheit, sicherlich wird er Erfolg haben!‹ Mohammed sah sich genötigt, beizustimmen, und Jahia nahm zwei Krüge, mit denen er glücklich die Schenke erreichte, ließ sie füllen und ging in der Absicht zurück, seine Freunde wieder aufzusuchen.
Die Stunde des Abendgebetes war längst verstrichen; so lagen denn die Straßen verlassen da. Indessen erblickte Jahia von weitem eine Laterne in dem Augenblicke, als er auf einen Platz kam, der in der Nähe der Valide-Moschee ist. Dieses Licht kam so auf ihn zu, daß er weder fliehen noch umkehren konnte; denn wenn er seine Schritte wandte, würde er durch das Geräusch, das er verursachte, nicht nur zur Verfolgung aufgefordert haben, sondern bald auch durch das Meeresufer aufgehalten worden sein. Andererseits konnte er die Krüge, mit denen er beladen war, nicht von sich tun; konnte er doch einen übernommenen Auftrag nicht unerledigt lassen, und es würde auch
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