Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Entzücken außer sich, als er sie schleierlos sah; denn sie war jung und hübsch; sie leuchtete ihnen mit einer Silberlampe, in der ein mit lieblichen Wohlgerüchen durchtränktes Öl brannte.
Das Haus schien Jahia ein Ort der Wonne zu sein. Man sah in jeder Ecke des von einer großen Anzahl Silberlampen erleuchteten Vorraums ein großes Ruhebett an einem Erkerfenster; die Mitte nahm ein Wasserbecken ein, das mit dem kostbarsten Marmor ausgelegt war und so klares Wasser füllte, daß man mühelos eine unendliche Schar Fische in ihm erblicken konnte, deren Spiel das Auge erfreute. Den Rand des Wasserbeckens zierten verschiedene an Farbe und Duft herrliche Blumen. Jahia nahm auf dem Ruhebette Platz; indessen war sein Sinn mit allen Dingen, die sich ihm darboten, beschäftigt; er konnte nicht begreifen, warum ihn der Scheich, der doch nur von einem Kloster gesprochen hatte, in einen so prächtigen Palast führte. Als der Greis sein Erstaunen sah, sprach er zu ihm: ›Nenne mir den Gegenstand deiner Erwägungen; habe ich dir nicht gesagt, daß ich dich als meinen Sohn ansehe? Glaube nur, es ist vielleicht besser, von einem Scheich an Kindes Statt angenommen zu werden, als in Wahrheit sein Sohn zu sein; die Annahme steht frei, für sie spricht das Herz, folglich darf man froh darüber sein. Sei also unbesorgt, du bist in meinem Hause und sollst mir Gesellschaft leisten; und einen Teil der Nächte wollen wir vergnügt verbringen. Ich will dir meine ganze Habe hinterlassen, und solange wir warten, daß der Todesengel kommt, um mich aufwärts zu geleiten, soll es dir an nichts fehlen. Ja, weil du mir gefällst,‹ fuhr er fort, ›so möchte ich gern, daß du meinen Platz einnimmst und daß man dich die alten, ehrwürdigen Gebräuche unseres Glaubens wieder einführen sieht!‹ Nach solchen Worten ging er in ein Nebengemach, aus dem er wenige Zeit später mit einem von Gold und Silber strotzenden Gewande angetan herauskam, das man für das eines Königs halten konnte. Als er sich Jahia zur Seite gesetzt hatte, trugen die Sklaven große, mit prachtvollen Edelsteinen geschmückte Porzellanschüsseln auf, in denen sich die ausgesuchtesten Gerichte häuften, die Ambra- und Moschusdüfte verbreiteten. Jahia war erstaunt ob dieser Pracht; und die Überraschung aller seiner Sinne hinderte ihn am Sprechen. Der Scheich aber sprach zu ihm: ›Ich habe das Alter, in dem du mich siehst, erreicht, ohne mich jemals in dieser Weise gekleidet zu haben; immer bat ich zu Allah, mir einen Sohn zu schenken; mein hohes Alter läßt mich keinen mehr erhoffen. Und ich habe ihn heute morgen um einen liebenswerten Menschen gebeten, den ich an Kindes Statt annehmen kann, er hat mein Gebet erhört, indem er dich zu mir sandte; so tue ich denn alles, womit ich mir denke, ihm meine Freude und Dankbarkeit ob des empfangenen Glücks bezeigen zu können. Schließlich erwerben sich die Scheichs durch die Gewohnheit, die Fremden, die sie aufnehmen, zu prüfen, sehr viel Menschenkenntnis, so daß ich mühelos alle guten Eigenschaften, die in dir wohnen, erkannt habe. Und ich habe gesehen, wie treu du bist und wie du die Tugend liebst. Doch zur Verringerung des Staunens, das ich an dir beobachte, wisse, daß wir in unserem Stande über alle Herrlichkeit erhaben sind, die du hier siehst, weil wir wenig Wert darauf legen. Wenn du übrigens Wein liebst, kannst du dich an ihm erlaben; du weißt, er ist den Derwischen nicht verboten; das öffentliche Ärgernis ist sicherlich das einzige, das man dabei zu vermeiden hat. Sieh mich doch als deinen Vater in allen Dingen an und folge der Lebensweise, der ich mich seit meiner Kindheit befleißige!‹
Dieser Ausspruch erinnerte Jahia an den ersten Gedanken, der in ihm aufgestiegen war, als ihn der Scheich angeredet hatte. Er hielt ihn für einen Propheten, und mehr für den Propheten Elias als für jeden andern, auf Grund der Ähnlichkeiten mit dem heiligen Manne, die er an ihm entdeckt hatte. Indessen standen diese Orte des Entzückens, der Reichtum, die Geschmeide und die große Zahl der Sklavinnen, die er gehen und kommen sah, um ihm zu dienen, im Widerspruche mit diesem Gedanken, ebenso wie der Wein, den man in Fülle aufgetragen hatte. Zu often Malen bildete er sich auch ein, daß der Scheich ein Zauberer sei, der nach seinem Belieben alle Arten von Gestalten annähme. ›Doch welche Absicht sollte er dabei gehabt haben, mich hierher zu führen?‹ sagte er bei sich selbst. ›Welchen Grund hätte er wohl, mich zu
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