Tausend und ein Tag - Orientalische Erzählungen
Heerführer, und mit einem Worte alle, die in meinem Heere stehen?‹ ›Nein‹, antworteten sie ihm auf jede Frage. Er machte sich darauf vor den Augen seiner Krieger unsichtbar und verschwand mit den Wesiren und allen Gesetzeskundigen, um sie dadurch völlig zu überzeugen und nicht eifersüchtig zu machen. ›Dankt doch mit mir dem allmächtigen Allah und seinem Propheten,‹ sagte er alsdann zu ihnen, ›weil sie mich zum mächtigsten Fürsten der Welt gemacht haben!‹ Und er verrichtete dann mit einer Innigkeit, die der Güte, die der Himmel über ihn ausgeschüttet hatte, entsprach, ein Dankgebet; alle seine Hofleute aber folgten seinem Beispiele. Als er diese wichtige Schuld eingelöst hatte, sprach er zu ihnen: ›Das größte Laster des Menschenherzens ist unzweifelhaft die Undankbarkeit; Damake verdanke ich gleichfalls große Schätze; ihre einzige Schönheit, ihr Geist und ihre Tugenden verdienen die Dankbarkeit, die ich ihr all mein Leben lang bezeigen will; doch muß Dankbarkeit von Beweisen begleitet sein; ich will mich also an diesem Tage für immer mit ihr verbinden!‹ Der ganze Hofstaat und die Großen begrüßten seine Wahl, und Nurdschehan befahl, daß man Damake holen solle; sie erschien in ihrer Bescheidenheit mit aller Anmut, mit der sie die Natur geziert hatte. Als der Fürst ihr aber in Gegenwart des Großimams die Hand gereicht hatte, fiel Damake ihrem Gatten zu Füßen und sprach zu ihm mit lauter Stimme: ›Als ich dir, o Gebieter, die Talismane des berühmten Seidel-Bekir aufzählte, habe ich dir gesagt, daß ihrer noch vier in der Welt seien; indessen hast du nur drei von ihnen!‹ ›Bin ich nicht reich genug, wenn ich dich habe,‹ antwortete ihr Nurdschehan, ›du darfst dich wahrlich für den vierten ausgeben, denn du wiegst sie alle auf!‹ ›Nein, o Gebieter,‹ sprach Damake dawider, indem sie die Augen niederschlug, ›welcher dir fehlt, ist ein Stahlring, der seinen Besitzer in dem Grunde der Herzen lesen läßt. Andere an meiner Stelle würden diesen Talisman für gefährlich erachten, doch ich sehe ihn für ein Glück an, wenn du dich lange an den Gefühlen, die in mein Herz eingegraben sind, erfreuen wolltest; und wenn ich das Unglück habe, diese anziehende Neugier nicht mehr zu verdienen, wird er dir zum wenigsten zweifelsohne die Sinnesart und Treue deiner Untertanen verkünden.‹
In diesem Augenblicke erschien die Göttin Malikatada mit ihrem ganzen Gefolge und bat den König, in einen Garten zu gehen, der durch ihre und der Genien Macht mit Pracht und erlesenem Geschmack geschmückt war. Sie beehrte die Hochzeit mit ihrer Anwesenheit; Nurdschehan aber lebte glückselig, und solches noch mehr durch die Liebe und Damakes Ratschläge als durch alle Talismane, die er den Glücksgütern hätte zufügen können, deren Besitzer er war. – –«
Als Moradbak mit Erzählen aufgehört hatte, sprach Hudschadsch zu ihr: »Das sind schöne Geschenke; ein Mädchen, das sie als Heiratsgut mitbringt, darf sich einen Mann wählen!« »Damake war so glücklich,« entgegnete ihm Moradbak, »unter dem Schutze einer Göttin zu stehen, die sie befähigte, ihre Gefühle auf eine so unzweideutige Weise darzulegen!«
»Ich würde all diese Talismane nicht so schätzen, wie man es tut«, sagte Hudschadsch; »man muß eine rasende Angst vor Giften haben, um solch einen Armreif zu tragen, und derartige Furcht ist selbst das grausamste Gift. Wenig würde ich für die Reichtümer, die mir das Fischchen verschaffte, empfänglich sein, dieweil ich so leicht erworbene Güter nicht schätze; die Zahl und die Stärke meiner Krieger aber würden mir mehr gelten als der Dolch, und der Ring würde mir nur beweisen, daß kein Mensch etwas taugt. Erzähle mir morgen eine weniger wundersame Geschichte; alle diese Geschehnisse sind schwer zu glauben, und die einfachsten passen besser zu meinem Zustande.« Moradbak gehorchte ihm und erzählte folgenden Tages diese Geschichte:
Die Geschichte von Jahia und Meimune
Unter der Herrschaft Selims II. und in der Zeit seines höchsten Glanzes gab es in Konstantinopel einen jungen Gerber, der sich Ilmene Jahia nannte. Er wohnte bei dem Tore von Narli, durch das man nach den sieben Türmen geht, und lebte mit seiner Mutter, der er sehr gehorsam war. Man kannte ihn ebensosehr seiner Geschicklichkeit in seinem Gewerbe wegen, als wegen der Anmut seiner Gestalt. Er war schön und wohlgebaut; und sein für Freundschaft empfängliches Herz bestimmte ihn, sooft er es nur
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