Tausend und eine Nacht, Band 4
nicht für sich gewählt haben, übrigens vertraue ich auf Gott; und so trank er sie in Gottes Namen. Sobald er getrunken hatte, öffnete Gott in seinem Herzen die Quellen der Weisheit und Gelehrsamkeit, und versetzte ihn in die freudigste Stimmung. Der Vorschrift der Schlange eingedenk, nahm er dann das Fleisch, das im kupfernen Topf war, und verließ das Haus des Veziers. Auf der Straße blickte er gen Himmel und sah die sieben Himmel bis zum äußersten Lotusbaum des Paradieses; er sah, wie das ganze Firmament im Kreise herumging, auch die Bewegung der Fixsterne und Planeten zeigte ihm Gott, und die Beschaffenheit der Erde und der Meere und den Lauf der Flüsse. So wurde er auf einmal erfahren in Geometrie und Astronomie und anderen Wissenschaften, die mit der Uranologie in Verbindung stehen, als, die Kenntnis der Sonnen- und Mondfinsternisse und dergleichen, Er blickte dann zur Erde, und alles, was darauf war, redete ihn an, alle Pflanzen, Bäume und Metalle entdeckten ihm den Nutzen, den sie bringen, und so wurde er auf einmal in der Botanik, Arzneikunde, Chemie und Mineralogie äußerst bewandert. Als er endlich mit dem Fleisch zum König Kersedan kam, verbeugte er sich vor ihm und sagte ihm: »Dein Haupt lebe für das deines Veziers Schamhur.« [Fußnote: Gewöhnliche Redensart für: N. N. ist gestorben.] Der König erschrak sehr über den Tod seines Veziers und weinte so heftig, daß alle übrigen Veziere, Fürsten und Staatsräte mit ihm weinten. Dann fragte der König: »Der Vezier Schamhur war ja eben bei mir, er ist nur nach Hause gegangen, um zu sehen, ob das Fleisch gekocht ist, wie ist er auf einmal gestorben?« Haseb erzählte ihm, wie es dem Vezier gegangen, nachdem er die Schüssel ausgetrunken. Da sagte der König: »Wie wird es mir gehen, da Schamhur nicht mehr ist?« Haseb antwortete: »Betrübe dich nicht, o König der Zeit, ich will dich in drei Tagen so herstellen, daß keine Spur von deiner Krankheit übrigbleibt.« Haseb stellte dann den Fleischtopf vor den König, schnitt ein Stück von der Schlangenkönigin herunter und reichte es ihm. Sobald er es gegessen hatte, deckte ihm Haseb den Mund mit einem Tuch zu und ließ ihn von Mittag bis Abend schlafen, dann gab er ihm etwas Wein zu trinken und ließ ihn die Nacht durch wieder mit bedecktem Gesicht schlafen. An den zwei folgenden Tagen wiederholte Haseb dasselbe Verfahren; da schwitzte der König von Kopf bis Fuß, seine ganze Haut schälte sich und er wurde ganz gesund. Haseb führte ihn dann ins Bad, und als er herauskam, war er wie eine Silberstange. Er zog dann seine prachtvollsten Kleider an, setzte sich auf den Thron und ließ Haseb neben sich sitzen. Er befahl hierauf, den Tisch für beide zu decken, und nachdem sie gegessen, getrunken und sich gewaschen hatten, kamen alle Emire und Veziere und Großen des Reiches, um dem König zu seiner Genesung Glück zu wünschen. Der König ernannte in ihrer Gegenwart Haseb zu seinem Großvezier an die Stelle Schamhurs. Dann sagte der König: »Wer Haseb liebt, der liebt auch mich, wer ihn verehrt, der verehrt auch mich, und wer ihm Gehorsam leistet, der beweist dadurch seinen Gehorsam gegen mich.« Alle Veziere, Emire und Großen des Reiches begrüßten nun Haseb und wünschten ihm Glück zum Vezierate; der König aber schenkte ihm ein Ehrenkleid mit Perlen und Edelsteinen besetzt, das tausend Dinare wert war. Ferner schenkte er ihm zweihundert Mamelucken, zweihundert weiße Sklavinnen wie der Mond, zweihundert Abessinierinnen, zweihundert Paar Kleider, fünfhundert Maulesel mit Waren beladen, zweihundert Kamele und ebenso viele Stiere, Büffel und Schafe.
Haseb wurde dann auf Befehl des Sultans von allen Vezieren, Emiren und Großen des Reiches und vielen Truppen in sein Haus begleitet. Seine Mutter freute sich außerordentlich und wünschte ihm Glück zum Vezierate. Dann kamen seine übrigen Verwandten und Freunde und auch die Holzhauer, um ihm zu gratulieren. Am folgenden Tag begab er sich in das Schloß des Veziers Schamhur, ließ alles versiegeln und in sein Haus bringen. Haseb war so auf einmal durch die Allmacht Gottes, nachdem er sehr arm war und keinen Buchstaben verstand, der reichste und gelehrteste Mann in der Welt. Eines Tages sagte er zu seiner Mutter: »Hat mein Vater Daniel kein Buch oder etwas Ähnliches hinterlassen?« Da brachte ihm seine Mutter eine Kiste, in welche Daniel die fünf Blätter gelegt hatte, die ihm vom Buch übriggeblieben waren, welches Gabriel in den Fluß
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