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Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
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er gebaut, entwürdige nicht, was er so herrlich ausgestattet; ich sehe leider, daß du alle deine Herrscherpflichten vernachlässigst und bloß deinen Begierden nachhängst; laß ab von diesem Wandel, denn das Wohl des Königs hängt von dem seiner Untertanen ab. Du kennst selbst das Gute und weißt, was dein seliger Vater dir eingeschärft.« – »Und was rätst du mir zu tun?« – »Du sollst die Folgen bedenken und auf den geraden Weg zurückkehren, auf dem das wahre Leben sich findet; folge nicht den Leidenschaften, die dich ins Verderben stürzen, daß es dir nicht gehe wie dem Mann mit dem Fisch.« – »Wie war das?« – Schimas erzählte:

Geschichte des Mannes mit dem Fisch.
    Ein Mann, der einst vor einem breiten Fluß sich befand, beugte sich an einer leicht zugänglichen Stelle, um Wasser zu trinken. Da sah er einen schönen, herrlich gestalteten Fisch vorüberschwimmen; er hörte auf zu trinken, betrachtete den Fisch und dachte: Wie wunderschön von Ansehen ist dieser Fisch, wie muß er erst zum Essen sein; wenn ich nicht fürchtete zu ertrinken, so würde ich ihm nachjagen. Bald kam der Fisch wieder vorüber und zwar etwas näher; da sprang er darauf los und faßte ihn am Schwanz, konnte ihn aber nicht zu sich heraufziehen. Der Fisch suchte sich loszuwinden, er aber wollte ihn nicht gehen lassen und ließ sich mit in die Tiefe ziehen, bis er endlich in einen Strudel kam, aus dem ein schlechter Schwimmer, wie er war, sich nicht mehr zu befreien imstande ist. Erst als er dem Ertrinken nahe war, ließ er den Fisch los und schrie um Hilfe. Da kam ein Fischer vorbei und sagte ihm: »Ich weiß kein Mittel, dich aus dem Strudel zu ziehen; ich kann nicht begreifen, wie du dich da hineinwagtest.« Der Mann sagte: »Ich habe den geraden Weg verlassen, um meine Leidenschaft zu befriedigen«, und erzählte ihm den Vorfall mit dem Fisch.
    Hierauf entgegnete der Fischer: »Ich habe nie einen unverständigeren Menschen gesehen, als du bist; ich bin froh, wenn ich mit dem Netz Fische fangen kann, und du willst sie mit der Hand fassen; aus diesem Strudel kann nur ein vorsichtiger Schwimmer sich retten, aber nicht ein Mann, der seiner Hand so viel zutraut; du hättest den Fisch früher loslassen sollen, ehe er dich in den Strudel gezogen, jetzt verdienst du zu ertrinken, und an dir bestätigt sich das Sprichwort: Lüsterne Menschen stürzen sich selbst in den Abgrund; füge dich nun in den Willen des erhabenen Gottes und bereue, was du getan.« Der Mann aber schrie solange um Hilfe, und seufzte und jammerte und bat den Fischer solange, bis er aus Mitleid und Gottesfurcht ihn zu retten suchte. Er warf ihm zuerst sein Netz zu; da er es aber nicht erreichen konnte, stürzte er sich selbst in den Strudel und warf es ihm mit vieler Kraft noch einmal zu; diesmal konnte er dessen Ende fassen, und der Fischer mit Gottes Beistand ihn schwimmend nach sich ans Ufer ziehen und ihn vom Tode retten. »Ich habe dir, o mächtiger König«, fuhr Schimas fort, »dieses Beispiel angeführt, weil auch ich dich mit eigener Gefahr aus der Tiefe retten will, die dich zu verschlingen droht; entsage deinen verächtlichen Vergnügungen, die dir nichts nützen, und halte dich an edlere Dinge, zu denen du berufen bist. Du bist noch jung, laß dir nichts Böses nachreden und deinen Namen nicht vor Gott und den Menschen beflecken.« – »Ich billige deine Rede und finde sie wahr; doch lassen wir das Vergangene, was soll nun geschehen?« – »Lasse morgen alle Veziere und Gelehrten und andere Ratgeber vor dich kommen, übe dein Herrscheramt aus, wie es einem gerechten Regenten ziemt, entschuldige dich bei ihnen über dein langes Ausbleiben und führe wieder einen bessern Lebenswandel.« Als der König dies zu tun versprach, ging Schimas freudig zu den Vezieren und den Großen zurück und berichtete ihnen den günstigen Erfolg seiner Unterredung mit dem König. Dieser aber dachte über die Worte seines Veziers nach, der ihn so zur Rede gestellt hatte, und wurde sehr aufgebracht darüber. Des Abends, als ihn nach seiner Gewohnheit eine seiner Frauen besuchte, um die Nacht bei ihm zuzubringen – es war gerade diejenige, die er am meisten liebte – und ihn sehr blaß und mißmutig fand, fragte sie ihn, was ihm fehle. Er erzählte ihr, was zwischen ihm und dem Vezier vorgefallen. Da sagte sie lachend: »Sonderbar, der Löwe fürchtet sich vor dem Hasen; mir ist klar, daß deine Veziere und Ratsherren dir das Leben verdüstern wollen; sie gönnen dir

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