Tausend und eine Nacht, Band 4
vom Bösen abzubringen?« – »So soll er«, antwortete der Prinz, »nachdem sein wiederholter Rat nicht angehört worden, sich von ihm trennen.« – »Und was sind dem König seine Untertanen schuldig?« – »Ihm gehorsam sein, an seiner Freude, wie an seinen Leiden, teilnehmen, ihm geben, was ihm gebührt, ihr Leben für ihn opfern und ihm dankbar sein, wenn er gerecht und wohltätig ist.« –»Und was ist der König seinen Untertanen schuldig?« – »Ein König, der sein Reich befestigen will, muß Gottes Gebote befolgen, gegen alle seine Untertanen gerecht sein und sich eifrig mit den Regierungsangelegenheiten beschäftigen.«
Nachdem nun der Prinz noch über vieles andere gefragt wurde, und seine Antworten den höchsten Beifall aller Anwesenden gefunden hatten, fragte der König: »Nun, was sagt ihr zu diesem Prinzen? Verdient er euer König zu werden?« Schimas antwortete. »O mächtiger, einsichtsvoller, treuherziger König! Du bist unser Herr und Gebieter, und nach deinem Willen richtet sich all unser Streben; jeder von uns wird sich freuen, wenn du sogleich deinen Sohn zu deinem Nachfolger ernennst, denn er ist würdig, König zu werden; er ist ja dein Sohn und hat seine Gelehrsamkeit vor allen Weisen an den Tag gelegt.« Der König, von dieser Antwort entzückt, sagte zu seinem Sohn: »Du bist, gelobt sei Gott, so verständig und so unterrichtet, daß wir dir nicht zu empfehlen brauchen, wie du deine Untertanen beherrschen sollst; du wirst nach Gottes Gesetzen Gerechtigkeit walten und durch die Macht dich nicht zum Bösen verleiten lassen; eine Stunde, mit Gerechtigkeitspflege zugebracht, zieht einen tausendjährigen Lohn nach, während Ungerechtigkeit dich ins Verderben stürzt; schließe dein Auge nicht, wenn Gewalt geübt wird, die deine Untertanen kränkt, schone ihr Blut und ihre Ehre, entziehe ihnen deine Nähe nicht, damit ihre Liebe stets zunehme; ehre deine Veziere, beherzige ihren Rat und wache stets für das Gute; begnüge dich mit dem, was du hast, und gelüste nicht nach dem Reich anderer, neige dich zu nichts hin, was das Gesetz oder dein Verstand verwirft; es wird dir wohl ergehen, wenn du alles dies beobachtest, und dich reuen, wenn du es vernachlässigst; bete zu Gott, daß er dich unter die ihm Gehorchenden und nicht unter die Widerspenstigen reihe.« Als alle Anwesenden »Amen« sagten, setzte der König seinem Sohn die Krone aufs Haupt, hob ihn auf seinen Thron und gebot allen Anwesenden, Häuptern der Truppen, Gelehrten und Vezieren, ihm zu huldigen und Treue in Wort und Gesinnung zu schwören. Nach dieser Huldigung lebte der König noch zehn Jahre; da überfiel ihn eine schwere Krankheit, die kein Arzt zu heilen vermochte. Als er sich dem Tod nahe sah, versammelte er alle Veziere und Häupter der Truppen und des Volkes, ließ auch seinen betrübten Sohn zu sich rufen und sagte: »Ich habe nun den letzten Tag dieses Lebens erreicht, ich trenne mich ungern von euch, doch niemand entgeht dem Tod. Fürchte Gott, mein Sohn, und gedenke dieser Stunde und des darauf folgenden Gerichtstages, wo sich Schwereres ereignen wird, als du jetzt mit deinen Augen siehst.« Der Prinz sagte weinend: »Du weißt, daß ich dir stets gehorchte und deine Lehren beobachtete, ich will auch jetzt deinen letzten Willen vernehmen und ihn treu befolgen; doch wie kann ich deine Trennung ertragen? Wo finde ich einen anderen Vater, so liebend, so treu ratend?« Der König sagte: »Höre, mein Sohn, auf meine Worte und grabe sie in dein Herz; wenn du nach meinem Tod König wirst, so merke dir zehn Dinge, die ich erprobt und die ich dir, als meinen kostbarsten Schatz und teuersten Erwerb hinterlasse. Bist du im Zorn, so schweige; wirst du von einem Unglück heimgesucht, so habe Geduld; sprichst du, so sei wahr in deinen Reden; versprichst du etwas, so erfülle dein Versprechen; urteilst du, so sei mild; bist du mächtig, so sei großmütig; fordert man etwas von dir, so gewähre; bist du jemanden feind, so vergiß seine Schuld; lobt man dich, so sei freigebig; schmäht man dich, so sei gerecht.«
Hierauf wendete sich der König zu den übrigen Anwesenden und sagte: »O ihr Veziere und Häupter des Reiches! Ich weiß, daß ihr mir Freunde und treue Ratgeber wart, und erkenne es öffentlich zu dieser Stunde an; ihr wisset aber auch, daß ich einen jeden von euch ehrte und belohnte. Nun fordere ich von euch, daß ihr meinem Sohne werdet, was ihr mir waret, er wird gewiß in meine Fußstapfen treten: Bleibt einig
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