Tausend und eine Nacht, Band 4
untereinander, fürchtet Gott und gehorcht euren Oberen, ihr werdet dann nie euren Feinden unterliegen und eures Vaterlands Wohl sichern; hütet euch vor Widerspenstigkeit und Treuebruch, sonst stürzt ihr euch und euer Land ins Verderben und macht eure Feinde schadenfroh. Erinnert euch dessen, was ihr mir bei der Geburt des Prinzen geschworen, bewahret den Bund, den wir miteinander geschlossen, Gott wird euch und meinem Sohn, der von nun an euer König ist, beistehen.« Als er diese Worte gesprochen hatte, überfielen ihn die Todeskrämpfe, seine Zunge wurde gelähmt, das Schwarze seiner Augen verbarg sich, er drückte seinen Sohn an sich, küßte und umarmte ihn, betete zu Gott um Verzeihung und verschied in Frieden. Alle Anwesenden weinten heftig, entkleideten und wuschen ihn, zogen ihm ein königliches Totengewand an, legten ihn in einen goldenen Sarg, trugen ihn in die königliche Gruft und beweinten ihn von ganzer Seele. Der Prinz teilte viel Almosen aus und wurde im ganzen Reich bemitleidet. Nach einigen Tagen kamen die Veziere und Großen des Reiches zu ihm und trösteten ihn, indem sie ihm sagten: »Du mußt nun die Trauer aus deinem Herzen verscheuchen, denn du bist durch den Tod deines Vaters unser König und mußt seine Stelle auf dem Thron einnehmen; was geschehen ist, war Gottes Wille, in den sich jeder fügen muß.« Der Prinz sagte: »Tut, was ihr für euch gut haltet, ich widersetze mich euerem Willen nicht.« Sie küßten ihm die Hände, zogen ihm die Erbprinz-Uniform aus und bekleideten ihn mit dem königlichen, golddurchwirkten und mit Perlen und Edelsteinen besetzten Gewand, setzten ihn auf den königlichen, mit Juwelen verzierten Thron und verbeugten sich vor ihm, wie sie es vor seinem Vater getan. Nach dieser Zeremonie mußten Ausrufer in der Stadt verkünden, daß die Trauer ein Ende habe und daß jeder wie früher in Ruhe und Sicherheit kaufe und verkaufe. Alle Städte des ganzen Landes wurden sieben Tage lang festlich geschmückt, und es fanden allerlei Festlichkeiten, Mahlzeiten, musikalische Unterhaltungen und öffentliche Spiele statt. Am vierten Festtag ritt der König in der Mitte seiner Veziere an der Spitze seiner Truppen mit unzählbarem Gefolge aus; die Freude des Volkes war sehr groß, und von allen Seiten brachte man ihm Glückwünsche dar. Nachdem er viele Geschenke ausgeteilt hatte, ritt er unter Begleitung von Zimbeln und Trommeln, von deren Schall der Boden zitterte, in seinen Palast zurück. Bald wurde er noch mehr als sein Vater, wegen seiner Bildung, Weisheit und Tapferkeit, geachtet und geehrt, denn auch sein Verfahren gegen seine Untertanen war gerecht, mild und dem göttlichen Gesetz gemäß. Aber nach einiger Zeit verblendete ihn Satan durch weltliche Gelüste, er liebte allzu leidenschaftlich das schöne Geschlecht und übertrat deshalb die Gesetze Gottes und seine Pflichten gegen seine Untertanen; denn sobald er eine schöne Frau sah, mußte er sie besitzen, und war es auch die Frau seines Veziers; auch brachte er oft ganze Monate in seinem Harem zu, ohne sich um die Regierung zu kümmern.
Die Veziere waren über diese Lebensweise des Königs sehr betrübt; sie versammelten sich heimlich, um zu beraten, was zu tun sei, um das Land von dem Verderben zu retten, das ihm durch die Nachlässigkeit des Königs drohte. Sie ließen auch den Vezier Schimas rufen und fragten ihn, ob der Lebenswandel des Königs, der allen Verträgen zuwider handle und oft ganze Monate unsichtbar bleibe, ihm keine Sorgen mache? In diesem Augenblick sah Schimas einen der Offiziere des Schlosses, welcher aus dem Palast kam; er ging auf ihn zu und sagte ihm: »Melde dem König, ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen und bitte nach seinem Mittagsmahl um die Erlaubnis, ihn zu besuchen, vergiß aber ja nicht!« Nach der Tafel ging der Offizier zum König und sagte ihm: »Schimas bittet um die Erlaubnis, dir etwas Wichtiges mitzuteilen.« Der König ließ ihn hereinkommen, und nach wechselseitigen Grüßen fragte er ihn erschrocken, was ihn herbringe? Schimas erwiderte: »Erschrick nicht vor mir, o erhabener König, ich sehnte mich nach deinem glorreichen Antlitz, das ich so lange schon nicht gesehen, auch wünsche ich dir einiges mitzuteilen.« – »Sprich ohne Scheu!« – »O König! Gott hat von deiner Jugend an dich durch Kenntnisse und Weisheit ausgezeichnet und dir Macht und Reich geschenkt, damit du über deine Herde wachest; nun zerstreue nicht, was er dir gesammelt, zerstöre nicht, was
Weitere Kostenlose Bücher