Tausend und eine Nacht, Band 4
keine einzige mehr übrigbleibt.« Das Rebhuhn verlor keinen Augenblick, diesen Rat zu befolgen. Das Schicksal führte aber gerade ein Wiesel vorüber, das auch auf dieser Insel wohnte; es sah mit Erstaunen das kahle Rebhuhn und rief: »Nun ist mein Glück gemacht, nun entgeht mir dieses Rebhuhn nicht mehr.« Es sprang sogleich auf das Rebhuhn los, das vergebens seine federlosen Flügel aufschlug, um zu entfliehen; es wurde vom Wiesel ergriffen und zerrissen. Die Schildkröten, vor deren Augen dies geschah, weinten vor Mitleid. Als aber das Rebhuhn sie fragte, ob sie mit etwas anderem, als mit Tränen ihm helfen könnten, sagten sie: »In Wahrheit, gegen ein solches Übel wissen wir nichts anderes zu tun.« Da sagte das Rebhuhn: »Weinet nicht, ihr seid unschuldig, ich selbst habe mein Unglück herbeigezogen.«
»So muß auch ich«, sagte der König, »nur mir selbst Vorwürfe machen, daß ich euren Rat befolgt und die Wackersten und Klügsten in meinem Reich umgebracht habe, die, welche mich am meisten liebten und mich am besten gegen meinen Feind schützen konnten, und finde ich jetzt keinen Ersatz für sie, so muß ich, wie jenes Rebhuhn, untergehen.« Der König ging dann in das Zimmer, wo die Leichen seiner Veziere und Gelehrten lagen, und weinte heftig und schrie: »O könnte doch jemand diese Toten nur einen Augenblick wieder beleben, daß ich ihnen mein Verbrechen bekenne und ihnen meinen Zustand klage.« Nachdem er den ganzen Tag, ohne zu essen oder zu trinken, in tiefster Trauer in diesem Zimmer zugebracht hatte, zog er schlechte Kleider an und streifte verkleidet in der Stadt umher. Da sah er zwei Jungen von zwölf Jahren, die an einer Mauer saßen, und hörte, wie einer zum anderen sagte: »Hast du schon gehört, daß unser Feld aus Mangel an Regen ganz verdorrt ist? Alles Unglück kommt von unserem König, der die Gelehrten und Veziere schuldlos hat umbringen lassen, bloß um seine Geliebte, die Feindin Gottes und der Menschen, zufrieden zu stellen.«
Der zweite Junge erwiderte dem ersten: »Das ist noch nicht alles, du wirst noch Schlimmeres erleben.« – »Wie«, versetzte der erste, »gibt es etwas Schlimmeres, als keinen Regen zu haben?« –»Jawohl«, erwiderte der andere; »schon hat ein benachbarter König dem unsrigen einen Boten geschickt, durch welchen er ihn auffordern läßt, ihm ein Schloß mitten im Meer auf der Oberfläche des Wassers zu bauen; vermag er dies nicht, so wird er zwölftausend Regimenter, jedes aus tausend Kriegern bestehend, abschicken, um Besitz von seinem Königreich zu nehmen, und wisse, daß dieser König sehr mächtig ist und über ein unzählbares Volk herrscht; wenn nun unser König dieses Übel nicht abzuwenden weiß, so ist es um unsere Stadt geschehen; denn unser Nachbar war ein Feind des Vaters unseres Königs; er wird dann Männer und Kinder umbringen, die Frauen in Gefangenschaft führen, alles Vermögen rauben und den König verbannen. Gott stehe uns bei!« Des Königs Tränen flossen im Übermaß, als er dieses Gespräch hörte, und er dachte: Dieser Junge muß sehr klug sein, wie kann er etwas von dem Boten wissen, der noch niemanden gesprochen? Vielleicht wird mir Gott durch ihn helfen. Er näherte sich hierauf dem Jungen und sagte: »Was du eben vom König erzählt, lieber Junge, ist wahr, er hat mit Unrecht seine Veziere und Weisen umbringen lassen; doch woher weißt du, was der König von Indien unserem König geschrieben?« – »Ich weiß es«, sagte der Junge, »durch meine Zauberkunst, die ich von meinem Vater gelernt.« Da fragte der König: »Gibt dir diese wohl ein Mittel an, durch welches der König aus seiner Not gerettet werden könnte?« – »Wohl weiß ich ein Mittel«, antwortete der Junge; »doch ich werde es nur dem König selbst offenbaren, wenn er mich rufen läßt und um Rat fragt.« Da fragte der König: »Woher kennt er dich, daß er nach dir schicken soll?« Der Junge erwiderte: »Wenn er nach den Gelehrten und Weisen schickt, so findet er auch mich unter dieser Zahl, tut er dies aber nicht und fährt fort, bei seinen Weibern sich zu zerstreuen, so werde ich nicht zu ihm gehen, um auch, wie seine Veziere, umgebracht und dazu noch von allen Leuten für blödsinnig gehalten zu werden; dann würde sich das Sprichwort bestätigen: »Wer mehr Kenntnisse hat, als Verstand, der geht durch seine Kenntnisse wegen seiner Torheit zugrunde.« Der König, erstaunt über die Worte dieses Jungen, fragte ihn nach seiner Wohnung, und der Junge
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