Tausend und eine Nacht, Band 4
Audienztag kam, den der Pförtner angezeigt hatte, dann ging er wieder vor das Schloß und fand an dem Tor viele Leute, welche warteten, bis sie vorgelassen wurden. Endlich kam ein Vezier mit einigen Dienern und Sklaven und ließ die Bittenden ins Schloß treten. Im Audienzsaal saß der König, von den Großen seines Reiches umgeben, und vor ihm stand der Vezier, der einen Bittenden nach dem anderen ihm vorstellte. Als endlich die Reihe an den Einsiedler kam, sah ihn der König eine Weile an und sagte dann: »Willkommen, Herr der Wolke! Setze dich, bis ich mit den übrigen zu Ende bin.«
Der Einsiedler war sehr erstaunt über diese Anrede sowohl als über das Talent, das der König in der Ausübung seines Amtes entwickelte. Nachdem er mit vieler Weisheit alle ihm vorgetragenen Streitsachen geschlichtet hatte, erhob er sich, faßte den Einsiedler bei der Hand und führte ihn ins Innere des Schlosses durch ein Tor, vor welchem ein schwarzer Sklave in kriegerischer Rüstung mit Bogen, Panzer und Schwert bewaffnet saß. Er stand auf, als er den König sah, hörte seine Befehle an und öffnete das Tor. Der König führte mich dann weiter – so erzählt der Einsiedler – bis wir an eine andere Tür kamen, die er selbst öffnete; wir befanden uns jetzt in einem alten, zerfallenen Gebäude und traten in ein Gemach, das nur einige Dattelbaumblätter, ein Waschbecken und einen Teppich enthielt. Sobald der König in diesem Zimmer war, warf er sein königliches Gewand von sich, zog ein grobes Oberkleid von weißer Wolle an und bedeckte seinen Kopf mit einer Filzmütze; dann setzte er sich, hieß mich auch sitzen und rief seine Gattin. Als diese erschien und fragte, was er befehle, sagte er: »Weißt du, wer heute unser Gast ist?« – »Jawohl«, antwortete sie, »der Wolkenmann.« Er sagte dann: »Nun kannst du wieder gehen, du hast nichts bei ihm zu tun.« Die Frau war auch in ein grobes wollenes Oberkleid gehüllt; aber ihr Gesicht war schön und leuchtete wie der Mond. Als wir wieder allein waren, fragte mich der König, ob er gleich für mich beten solle, daß ich wieder fortkomme, oder ob er mir zuvor über sein Leben einige Auskunft geben sollte. Ich bat ihn, mir über seine Umstände einiges mitzuteilen, und er sprach: »Wisse, mein Vater und Großvater und alle meine Ahnen bis zur frühesten Zeit zurück waren Könige dieses Landes. Als nach dem Tode meines Vaters die Krone mir zufiel, hatte ich keine Freude daran, denn ich hätte vorgezogen, als Einsiedler zu leben. Da ich aber fürchtete, wenn ich mich ganz zurückziehe, möchten Empörungen und Zwist im Lande entstehen, und die heiligen Gesetze nicht mehr geachtet werden und der Glaube untergehen, ließ ich alles wie es war und stellte Sklaven vor die Tore des Palastes, um die Bösen zu schrecken und zu bestrafen, und zog, wie meine Vorgänger, ein königliches Gewand an. Sobald ich aber mit den Regierungsangelegenheiten zu Ende bin, begebe ich mich hierher und kleide mich, wie du mich jetzt siehst, und lebe hier allein dem Gottesdienste, von meiner frommen Base unterstützt, die du eben hier gesehen. Wir verfertigen des Tages allerlei Arbeit aus diesen Blättern, verkaufen sie und für das Geld essen wir zu Nacht, den ganzen Tag aber fasten wir; so leben wir schon vierzig Jahre. Bleibe nun bei uns, bis wir unsere Arbeit verkauft haben, iß mit uns zu Nacht und übernachte bei uns.« Gegen Abend kam ein Diener und holte die Arbeit, verkaufte sie und kaufte Bohnen dafür, welche unser Nachtessen wurden. Gegen Mitternacht hörte ich dann, wie der König und die Königin aufstanden und beteten. Gegen Morgen sah endlich die Königin, wie sich eine Wolke am Himmel bildete, und sie sagte mir: »Freue dich, unser Gebet ist erhört worden.« Ich nahm Abschied von ihnen und ging, von meiner Wolke begleitet, fort, und was ich nachher in ihrem Namen von Gott begehrte, wurde mir gewährt.
Die bekehrte Christin.
Man erzählt: Der Fürst der Gläubigen, Omar, der Sohn, Chattabs, rüstete einst eine Armee aus und schickte sie nach Syrien, um eine der dortigen christlichen Festungen zu belagern. Unter der muselmännischen Armee waren zwei Brüder, so kühn und so tapfer, daß der Emir der Christen oft zu den Seinigen sagte: »Wenn wir einmal diese zwei Muselmänner getötet und aus dem Weg geschafft haben, so fürchte ich die übrigen nicht mehr.« Endlich gelang es den Christen nach vielen Anstrengungen und allerlei List und Hinterhalt, den einen der Brüder zu töten und den
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