Tausend und eine Nacht, Band 4
will, bei meinem Haupte!« – »Und warum dies?« – »Warst du nicht gestern bei uns in der Moschee?« – »Hast du mich gesehen?« – »Jawohl, und sogar gesprochen.« Da ging er in eine Moschee und rief nach dem Morgengebet: »Mein Gott und mein Herr! Der geheime Bund zwischen uns ist nun den Menschen bekannt, wie kann ich länger leben? Ich beschwöre dich, nimm mir sogleich meine Seele!« Er verbeugte sich hierauf und fiel hin. Ich wartete eine Weile, als er aber den Kopf nicht mehr in die Höhe hob, schüttelte ich ihn, aber vergebens, er war tot. (Gottes Erbarmen sei mit ihm!) Da streckte ich seine Hände und seine Füße und sah ein lächelndes Gesicht, das ganz weiß und leuchtend wie der Mond geworden. Dann kam ein Jüngling zur Tür herein und sagte: »Friede sei mit euch! Gott erhöhe eueren Lohn für das, was ihr unserem Freund Meimun erwiesen. Hier habt ihr ein Totengewand, zieht es ihm an.« Bei diesen Worten gab mir der Jüngling zwei Kleider, wie ich dergleichen nie auf Erden gesehen; wir zogen sie ihm an und beerdigten ihn an der Stelle, wo noch heute in trockenen Jahren sowohl als in anderen Notfällen gebetet wird.
Das tugendhafte israelitische Ehepaar.
Man erzählt ferner: Einst lebte unter den Söhnen Israels ein sehr tugendhafter und gottesfürchtiger Mann, der sein Herz allen weltlichen Dingen verschlossen hatte, auch seine treue Gattin teilte seine Frömmigkeit und seine Duldung. Sie ernährten sich lange von ihrer Hände Arbeit, flochten den ganzen Tag Fächer, Mückenwehrer und dergleichen, damit ging der Mann abends auf die Straßen und Märkte, bis er sie verkaufte, und brachte für das Geld Lebensmittel nach Hause. Als der Mann eines Tages nach vollendeter Arbeit in einer Straße umherging, wo er Käufer suchte, sah ihn die Frau eines vornehmen Weltmannes und fand ihn so schön und ehrwürdig, daß sie sich leidenschaftlich zu ihm hingezogen fühlte. Da ihr Mann gerade abwesend war, sagte sie zu ihrer Dienerin: »Kannst du vielleicht ein Mittel erfinden, den Mann, der da vorübergeht, hereinzubringen und zu veranstalten, daß er unbemerkt die Nacht bei mir zubringe?« Die Dienerin ging zu ihm auf die Straße, rief ihm nach, sie wollte ihm etwas abkaufen, und lockte ihn so bis zur Haustür. Dann sagte sie ihm: »Komm herein, setze dich auf die Bank hier, daß ich deine Waren meiner Herrin zeige, damit sie aussuche, was sie zu kaufen wünscht.« Da der Mann kein Mißtrauen hegte, folgte er der Dienerin ins Haus, ohne irgend ein Übel zu befürchten. Aber kaum hatte er sich niedergesetzt, verschloß die Dienerin die Haustür und ihre Herrin kam aus ihrem Gemach, zog ihn zu sich hinein und sagte: »Wie lange wünsche ich schon mit dir allein zu sein! Mit welcher Ungeduld erwartete ich diesen Augenblick! Sieh, das Zimmer ist beräuchert, das Essen ist bereit, der Herr des Hauses kommt heute Nacht nicht nach Hause, und ich liebe dich von ganzem Herzen. Wie manche Könige und Große und Reiche haben schon um meine Liebe sich beworben; aber du bist der erste Mann, dem ich eine solche Gunst bezeige.« Die Frau sprach noch vieles in diesem Sinne, aber der Mann hob seinen Kopf nicht in die Höhe, weil er vor Gott sich scheute und seine schwere Strafe befürchtete. Als er aber kein Mittel sah, sie loszuwerden, sagte er. »Ich habe eine Bitte an dich.« – »Worin besteht sie?« – »Gib mir reines Wasser und laß mich auf der Terrasse deines Hauses waschen und etwas verrichten, was ich dir jetzt nicht sagen kann.« – »Das Haus ist groß und hat der verborgenen Winkel gar viele, sowie auch ein Reinigungszimmer, du brauchst nicht auf die Terrasse zu gehen.« – »Ich muß den höchsten Platz im Haus besteigen.« Da rief sie eine Dienerin und sagte zu ihr: »Geh' mit dem Mann auf die Terrasse des Hauses und nimm ein Waschbecken voll Wasser mit!« Als der Mann auf der Terrasse war, wusch er sich, betete, blickte dann auf die Straße hinunter und merkte wohl, daß, wenn er hinunterspringen wollte, er zerstückelt auf den Boden kommen würde. Doch dachte er an die große Sünde, die er begehen wollte, und an deren harte Strafe, und entschlossen, sein Leben zu opfern, rief er aus: »Mein Gott und Herr! Du siehst meine Lage und weißt, daß ich gerne mein Leben hingebe, um dein Wohlgefallen zu erlangen, doch bist du ja allmächtig.« Als er diese Worte vollendet hatte, warf er sich von der Terrasse herunter; aber Gott schickte einen Engel, der ihn auf seine Flügel nahm und sanft auf die Erde
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