Tausend und eine Nacht, Band 4
anderen gefangen zu nehmen. Als man ihn in Ketten vor den Befehlshaber der Festung brachte, sagte er, nachdem er ihn eine Weile betrachtet hatte: »Es wäre schade, einen solchen Mann zu töten, und doch wäre es schlimm für uns, wenn er wieder zu den Muselmännern zurückkehrte; das Erwünschteste wäre wohl, wenn er sich zum Christentum bekehrte, wir hätten dann eine starke Stütze an ihm.« Da sagte einer der Feldherren: »Wenn dieser Mann bekehrt werden soll, so kann es am besten durch ein Weib geschehen, denn die Muselmänner sind gar leidenschaftlich. Ich bin gewiß, daß, wenn er meine schöne Tochter sieht, er bald in sie verliebt sein wird.« Der Emir sagte: »So nimm ihn mit dir!« Der Feldherr nahm den Muselmann mit in sein Haus, bat seine Tochter, ihre schönsten Kleider anzuziehen, um ihre natürlichen Reize noch zu erhöhen, und als das Essen aufgetragen wurde, mußte sie wie eine Dienerin vor dem Muselmann stehen und auf seine Befehle warten. Als der Muselmann sich in einer solchen Versuchung sah, nahm er seine Zuflucht zu Gott, drückte seine Augen fest zu und betete und las den Koran mit einer sehr lieblichen Stimme, die bald einen sehr tiefen Eindruck auf die junge Christin machte. Nach sieben Tagen war ihre Liebe so groß, daß sie gerne Muselmännin geworden wäre, um dadurch seine Neigung zu gewinnen. Sie bat ihn, er möchte sie doch mit dem Islamismus bekannt machen, und als er sie die Grundpfeiler desselben gelehrt hatte, legte sie das Glaubensbekenntnis ab; dann lehrte er sie auch das Gebet und die demselben vorangehende Reinigung. Als dann die Christin ihm gestand, sie sei nur aus Liebe zu ihm zum Islam übergegangen, sagte er ihr: »Nach den Gesetzen des Islams können wir nicht heiraten, außer in Gegenwart zweier rechtgläubigen Zeugen, die hier nicht zu finden sind, und vermittelst einer Morgengabe, die ich auch hier nicht besitze. Wenn du nur ein Mittel findest, daß wir aus dieser Festung entkommen, dann verspreche ich dir, nie eine andere als dich zu heiraten.« – »Ich will mir Mühe geben«, erwiderte das Mädchen.
Am folgenden Morgen ging das Mädchen zu seinen Eltern und sagte ihnen: »Schon habe ich das Herz dieses Muselmannes gewonnen und ihm vorgeschlagen, er möge sich zum Christentum bekehren, wenn er mich besitzen wolle. Hierauf sagte er mir aber: Das kann nicht sein an dem Ort, wo mein Bruder erschlagen worden; wenn ich nur an einem anderen Ort leben könnte, da würde ich mich zu zerstreuen suchen und dann alles tun, was von mir begehrt wird. Ich glaube also«, fuhr das Mädchen fort, »ihr tut nicht übel daran, wenn ihr ihn nach einem anderen Ort gehen lasset, ich verbürge mich für ihn bei dem König.« Der Vater des Mädchens ging zum Emir und hinterbrachte ihm die Worte des Mädchens. Der Emir freute sich sehr über diese Nachricht und erlaubte dem Muselmann, mit dem Mädchen in das Städtchen zu gehen, welches sie vorgeschlagen hatte. Hier verweilten sie aber nur einen Tag; sobald die Nacht heranbrach, machten sie sich auf den Weg und reisten die ganze Nacht durch. Der Muselmann hatte einen sehr schnellfüßigen Renner bei sich, und er nahm das Mädchen zu sich auf sein Pferd. Als der Morgen zu leuchten anfing und sie abgestiegen waren, um sich zu waschen und das Morgengebet zu verrichten, hörten sie auf einmal Waffengeklirr, Männerstimmen und Pferdtritte; da sagte der Muselmann zu dem Mädchen: »Das sind Christen, die uns verfolgen, wir entkommen ihnen nicht mehr, mein Pferd ist so müde, daß es kaum mehr den Fuß aufheben kann, was fangen wir nun an?« Das Mädchen schrie ihn an: »Wehe dir! Du zitterst und fürchtest dich, und hast mir doch so viel von Gottes Macht erzählt und von der Hilfe, die er denen reicht, die ihn anflehen? Komm laß uns zu Gott beten, vielleicht beschützt er uns und steht uns mit seiner Huld bei.« – »Du hast recht«, erwiderte der Jüngling, und sie beteten recht inbrünstig zu dem Herrn, Indessen kamen die Heranreitenden immer näher, und auf einmal hörte der Muselmann die Stimme seines als Märtyrer gestorbenen Bruders, welche ihm zurief: »Fürchte dich nicht, mein Bruder, die herannahenden Truppen sind Engel, die der Herr euch sendet, um Zeugen eures Ehebündnisses zu sein. Der Herr segnet euch und hat auch zum Lohn eurer Tugend und eures Vertrauens die Erde vor euch zusammengebogen, so daß ihr bei Sonnenaufgang auf dem Berg vor der Stadt Medina anlangen werdet.«
»Wenn du dann«, fuhr der Märtyrer fort, »zu Omar,
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