Tausend und eine Nacht, Band 4
schon durch irgend eine List Mittel finden, zu sehen, was in diesem Krug ist. Sie hieß dann auch ihre Kinder, den Vater zu bitten, daß er ihnen sage, was sein Krug enthalte. Die Kinder, welche glaubten, es sei etwas zu essen darin, plagten nun ihren Vater täglich, er möchte ihnen doch zeigen, was er in seinem Krug habe; er aber wies sie ab und suchte sie durch allerlei Ausreden zufriedenzustellen. Nach langer Weigerung des Schlangenbeschwörers verabredeten sich endlich seine Kinder mit ihrer Mutter, sie wollten vor ihrem Vater nichts mehr essen noch trinken, bis er ihnen zeige, was in dem Krug verborgen. Als der Vater bald darauf mit allerlei Speisen nach Hause kam und die Kinder zum Essen einlud, stellten sie sich recht böse und nahmen nichts an. Der Vater gab ihnen süße Worte und fragte sie, was sie für Speisen, Getränke oder Kleidungsstücke wünschten. Sie antworteten aber: »Wir wollen nichts, als daß du uns deinen Krug öffnest, damit wir sehen, was darin ist; sonst bringen wir uns um.« Er erwiderte: »Es wird euch nichts Gutes daraus entsprießen, wohl aber großes Unglück.« Doch die Kinder hörten nicht auf zu murren und zu trotzen, bis ihr Vater einen Stock herbeiholte und ihnen mit Schlägen drohte und, als sie davonliefen, sie ins Innere der Wohnung verfolgte. Während er aber mit seinen Kindern beschäftigt war und die Frau allein mit dem Krug blieb, in welchem die Schlangen waren, deckte sie ihn auf. Die Schlangen krochen heraus und töteten sie und ihre Kinder, nur ihr Mann entkam durch eine schnelle Flucht aus dem Haus. – »Daraus merkte ich mir, o König! daß kein Mensch so zudringlich etwas begehren soll, das ihm Gott nicht gewähren will. Aber du, o König! warst geduldig und ergeben, hast auf Gott vertrauend ihn nicht zu sehr mit Bitten um ein Kind bestürmt, er erkannte aber dein Inneres und segnete dich mit einem Sohne, den er zu deinem gerechten, gottgefälligen Nachfolger heranwachsen lassen möge.« Der siebente Vezier sprach endlich: »Ich habe vernommen, was die gelehrten sechs Veziere vor mir über deinen ausgezeichneten Lebenswandel gesagt. Auch ich danke dem Herrn, der dir einen Sohn geschenkt, die edelste Gabe, die einem Menschen auf Erden werden kann, denn wer kinderlos stirbt, dessen Andenken erlischt mit ihm. Durch dein Vertrauen auf Gott ging es dir, wie der Spinne mit dem Wind.« Der König fragte, was das für eine Geschichte wäre, und der Vezier fuhr fort:
Geschichte der Spinne mit dem Wind.
Wisse, o König! Eine Spinne setzte sich einst an einem hohen Mastbaum fest, baute sich dort ihr Haus, wohnte darin in voller Ruhe und dankte Gott für den sicheren Zufluchtsort, den sie gefunden. Aber nach einiger Zeit wollte Gott ihre Geduld und Ausdauer prüfen; er ließ einen heftigen Sturm wehen, der sie samt ihrem Haus wegriß und auf das tobende Meer schleuderte. Aber bald trieben die Wellen sie wieder ans Land und sie dankte Gott für ihre Rettung; doch stellte sie den Wind zur Rede und sagte: »Warum hast du aus meiner Wohnung mich vertrieben, ist das von Gott erlaubt?« Der Wind antwortete: »O Spinne! Weißt du nicht, daß diese Welt eine Wohnung des Unglücks ist? Wem hat je das Glück immer gelächelt? Weißt du nicht, daß Gott seine Geschöpfe versucht, um ihre Geduld zu prüfen? Was klagst du, da er dich aus dem furchtbaren Meer gerettet? Die Spinne antwortete: »Du hast recht, ich bin Gott Dank schuldig und ich vertraue ihm auch, er wird in diesem fremden Land mein Führer sein und mich in meine Heimat zurückbringen.« Hierauf versetzte der Wind: »Ich selbst hoffe mit dem nächsten Westwind dich wieder mitzunehmen, weil du so dankbar und so gottergeben bist; vertraue nur auf Gott; wer ihm vertraut, dem kommt er entgegen, wer mit Geduld ausharrt, der erreicht das Ziel.« Die Spinne betete nun mit noch mehr Hingebung zu Gott; Gott erhörte ihr Gebet und gebot einem sanften Wind, sie wieder in ihre Heimat zu tragen. – »So wollen auch wir jetzt zu Gott beten, der lange deine Ausdauer geprüft und nun in deinem Alter dir noch einen Sohn geschenkt hat, daß er diesem verleihe, was er dir an Macht und Ruhm verliehen.« Als der König die sieben Veziere vernommen und ihnen für ihr Lob und ihre Glückwünsche gedankt hatte, sagte er: »Wisset o Veziere! Gottes Beschluß ist unabänderlich, sein Wille geschehe an meinem Sohn; was er voraus bestimmt hat, trifft sicherer ein, als alles, was ihr von dessen Widerspenstigkeit und Treulosigkeit voraussehet; lasset
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