Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tausend und eine Nacht, Band 4

Tausend und eine Nacht, Band 4

Titel: Tausend und eine Nacht, Band 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Weil
Vom Netzwerk:
Edelsteinen; der König war aber so habgierig, daß er alle Kaufleute in seinem Land beraubte. Als der gerechte König, der ein großer Liebhaber von Edelsteinen war, von diesem Reich hörte, ließ er einen seiner Leute rufen, gab ihm viel Geld und befahl ihm, in jenes Land zu reisen, um Edelsteine für ihn zu kaufen. Sobald aber der gewalttätige König von der Ankunft dieses Mannes hörte, ließ er ihn vor sich kommen, und sagte ihm: »Wehe dir! Weißt du nicht, wie ich selbst gegen die Kaufleute meines eigenen Landes verfahre? Wie magst du, Fremdling, mein Land betreten? Wer bist du?« Der Kaufmann sagte ihm, sein König habe ihn mit Geld hierhergeschickt, um Edelsteine einzukaufen und das Geld, das er bei sich habe, gehöre nicht ihm. Da erwiderte der König: »Ich lasse dich nicht lebendig aus meinem Land ziehen, wenn du mir nicht dein Geld gibst.« Der Kaufmann ließ den Kopf sinken und dachte bei sich: »Ich stehe hier zwischen zwei Königen; widerstehe ich diesem, so läßt er mir mein Geld mit Gewalt nehmen und mich umbringen, stelle ich ihn zufrieden, so wird mein König, dem das Geld gehört, mich umbringen lassen. Das beste ist, ich gebe diesem König einen Teil meines Geldes und rette dadurch mein Leben, für das übrige kaufe ich Edelsteine, die hier ja so wohlfeil sind, und bringe sie meinem König, und so stelle ich beide zufrieden. Der Kaufmann bot hierauf dem König eine bedeutende Summe und bat um Erlaubnis, noch einige Zeit im Land bleiben zu dürfen, um die Geschäfte seines Königs zu verrichten. Der König nahm das Geld und gewährte dem Kaufmann seine Bitte. Dieser kaufte für das ihm übriggebliebene Geld die kostbarsten Edelsteine um einen sehr geringen Preis, reiste dann wieder in seine Heimat und entschuldigte sich bei seinem König. Der gerechte König nahm seine Entschuldigung an, setzte ihn zur Rechten in seinem Divan und sicherte ihm ein reiches Einkommen für sein ganzes Leben zu.« – Als der Vezier nach der Anwendung dieses Beispiels fragte, sagte der Prinz: »Der gerechte König stellt die zukünftige Welt vor, der gewalttätige diese Welt; der Kaufmann ist das Bild des Menschen, das Geld bedeutet die Gaben Gottes, und die Edelsteine die schönen frommen Werke; wer sich damit begnügt, für unentbehrliche Bedürfnisse dieses Lebens tagtäglich zu sorgen und mit der übrigen Zeit sich jene Welt zu verschaffen sucht, der stellt beide Teile zufrieden.« Der Vezier fragte dann: »Werden Körper und Seele gleich sein in Lohn und Strafe?« – »Sie nehmen gleichen Anteil an allem, denn sie handeln auch hier in Gemeinschaft, wie einst ein Blinder und ein Lahmer.« – »Was ist das für eine Geschichte?« – Ein Blinder und ein Lahmer, welche Freunde waren und miteinander bettelten, wünschten sich eines Tages, ein reicher Mann möchte sie doch in seinen Garten aufnehmen; dies hörte ein gutherziger Mann, der einen Garten hatte, er bemitleidete sie, nahm sie in seinen Garten, pflückte ihnen Früchte, ließ sie im Garten und bat sie nur, nichts darin zu verderben. Sobald diese aber die süßen Früchte gekostet hatten, schmeckten sie ihnen so gut, daß sie nach mehr gelüsteten.
    Der Lahme und der Blinde teilten einander ihr Verlangen mit; der Lahme bedauerte, nicht zu den Früchten gelangen zu können, und der Blinde, sie nicht zu sehen. Während sie so nach diesen Früchten schmachteten, kam der Wächter zu ihnen und fragte sie, warum sie so traurig wären; als sie ihm die Ursache gestanden, rief er ihnen zu. »Wehe euch! Habt ihr nicht gehört, wie der Eigentümer des Gartens euch gewarnt hat, nichts zu verderben? Bezähmet daher eure Begierde, sonst wird er euch aus seinem Garten jagen.« Aber sie erwiderten: »Wir müssen von diesen Früchten haben, der Eigentümer wird nichts merken; wir bitten dich, uns nicht zu verraten und uns ein Mittel anzugeben, wie wir unsere Begierde befriedigen können.« Als der Wächter sah, daß sie seinem Rat nicht folgen wollten, sagte er zum Blinden: »Richte dich auf und nimm den Lahmen auf deine Schultern, er wird mit seinen Augen dich leiten und du mit deinen Füßen ihn zum Baum tragen; ich entferne mich, und ihr könnt dann eure Lust stillen.« Der Blinde erhob sich sogleich, nahm den Lahmen auf die Schultern und trug ihn an den Baum hin, wo sie nun Früchte pflückten und Zweige zusammenrissen und den ganzen Garten zertraten. Sobald der Eigentümer des Gartens aber heimkehrte und den ganzen Garten in Unordnung fand, ging er zornig auf sie los

Weitere Kostenlose Bücher