Tausendstern
gleiche Intelligenz wie er und hatte dieselbe Ausbildung genossen, jedoch hatte sie speziell diese Information völlig versäumt. Manchmal hatten sie sich bei besonders langweiligen Lektionen gegenseitig vertreten, so daß einer alle möglichen Informationen aufschnappen konnte, die dem anderen fehlten. Allmählich begann sie sich von ihrem Bruder immer deutlicher zu unterscheiden, und die Tarnung gleicher Kleidung in der Öffentlichkeit würde nicht mehr lange wirksam sein.
Sie holte ihr Maßgerät heraus und berührte mit der kleinen Scheibe das untere Ende des Stammes, ging dann am Baum entlang, bis die Meßskala zehn Meter zeigte, dann berührte sie den Baum erneut. An dieser Stelle erschien nunmehr ein roter Punkt.
Er glättete das untere Ende, dann teilte er den Baum an der Zehn-MeterMarkierung. Der Stamm rutschte ein Stück und drückte sich dann in den schwammigen Untergrund. Nun drehte Jesse am Kontrollknopf und stellte die Säge neu ein. »Eigentlich tue ich das alles ja für dich. Ich werde wohl einen anderen adligen Klon heiraten müssen, während du dir eine echte Person suchen mußt, um mit ihr eine Familie zu gründen.«
»Willst du mit mir wetten? Es gibt in unserer Generation mehr männliche als weibliche Vertreter. Deshalb hat man mich operiert, um mich weiblich zu machen, womit die Wette sich erübrigen dürfte. Wahrscheinlich muß ich den Klon heiraten, während du dich mitten in der Masse der Gemeinen herumtummelst.«
»Das ist nicht schlecht«, gab er zu. »Ich muß zugeben, daß es einige Gemeine gibt, denen ich mal gerne nähertreten möchte. Das Klontum ist heutzutage doch ziemlich steril geworden; sehr wenige von uns haben noch Feuer im Herzen und Ehrgeiz. Die meisten gehören zur Prominenz und zwingen uns, dieses Spiel mitzuspielen. Tritt mal ein Stück zurück, Kleines. Was jetzt kommt, ist nicht ganz ungefährlich.«
Die Spitze des Laserstrahls zuckte vor. Jess paßte den Strahl der Länge des Stammes an, dann senkte er den Strahl, so daß er sich in die Rinde hineinbrannte. Er drehte den Stamm um ein Viertel seines Umfangs und brachte einen weiteren Schnitt an. Dann justierte er die Säge wieder auf ihre vorherige Länge und benutzte den Sägestrahl, um entlang einer Linie eine gerade Kante zu schaffen. Eine Meßtabelle an der Säge zeigte ihm genau an, wie er den Strahl zu führen hatte, um einen geraden Schnitt zu erhalten.
»Weißt du, eines Tages werden die anderen Klons merken, was mit dir los ist«, meinte er, während er mit seiner Arbeit fortfuhr. Jesse konnte niemals lange schweigen. »Wir können es nicht ewig geheimhalten.«
Sie wußte es. Sie hatte Alpträume über vorzeitige, unfreiwillige Entlarvung. Dennoch bewies ihre Antwort eine verbissene Tapferkeit. »Wenn du einen aristokratischen Partner findest, dann schaffen wir es. Es wäre schön, wenn wir diese Sicherung für eine weitere Generation aufrechterhalten und damit unser Geschlecht schützen könnten. Wenn erst einmal andere Klons darauf aufmerksam geworden sind, dann werden alle es uns nachmachen, und unser Geschlecht wird seinen Vorsprung einbüßen.«
Er nickte ernst. Mit vier Schnitten hatte er einen im Grundriß quadratischen Balken von zehn Metern Länge vor sich liegen. Die Unregelmäßigkeiten des Schnittes ließen ihn wie authentisch handgearbeitet erscheinen. »Na, gibt es einen perfekteren Firstbalken als diesen?«
»Nein«, erwiderte sie beeindruckt.
»Bist du mir immer noch böse, daß ich die Säge gekauft habe?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Fünftausend Kredits - davon kannst du dir kübelweise dein lächerliches Parfüm kaufen, um in den Augen der Gemeinen sexy zu erscheinen.«
»Die Säge wäre mir lieber.«
Er grinste zufrieden. »Ich nehme dich beim Wort. Den nächsten Balken schneidest du zurecht. Warum soll ich die ganze Arbeit tun?«
»Und die Hypothek auf das Schloß ist auch bezahlt«, sagte sie, und ihr gefiel diese Vorstellung immer besser. »Das ist das erste Mal, daß unsere Familie im Verlauf einer Generation schuldenfrei ist.«
»Aber wenn man bedenkt, wie gefährlich die Mission...«, neckte er sie.
»Ach, sei doch still!«
»Du weißt jetzt, wie man das Ding ein- und ausschaltet, Jess. Die Säge, meine ich. Sie ist nicht so schwer. Halte nur den Arm ganz ruhig und sieh zu, daß deine Zitzen nicht herumbaumeln und in den Strahl geraten.« »An mir baumelt überhaupt nichts, aber an dir!« Doch sie griff nach der Säge, begierig, ihre eigene Geschicklichkeit zu
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