Dämon
Bougainville, Nördliche Salomoninseln
Pazifischer Kriegsschauplatz,
11. November 1943, Morgendämmerung
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D ie acht Landefahrzeuge bildeten auf dem aufgewühlten Pazifik eine unregelmäßige Linie aus grauem Schiffsstahl. Die kleinen Boote hoben und senkten sich mit dem Wellengang, und die leuchtend grüne Phosphoreszenz der See schlug gegen die eisernen Schiffswände, bevor sie zu Nebel zerstob, der über die behelmten Köpfe der F-Kompanie gischtete. Private Eric Davis stand eingezwängt zwischen anderen Marines mit nassen, dunklen Kampfanzügen und Helmen, von denen Salzwasser troff. Er zog die Schultern ein, als das Landefahrzeug über den Kamm einer weiteren Welle tanzte und mit Übelkeit erregendem Schwung in die Tiefe schoss, während unablässig Wasser über die Männer gischtete.
Zwei Monate zuvor war Davis noch in Boston gewesen. Dann war die Einberufung gekommen. Einen Monat Ausbildung in Mississippi, anschließend die Stationierung im Pazifik – der Rest war eine verschwommene Abfolge schlafloser Nächte an Bord schwankender Schiffe, in Segeltuchpritschen, eine über der anderen, während Davis den gelegentlichen Fliegeralarmen lauschte, sobald japanische Zero-Kampfmaschinen über ihnen auftauchten und sie umkreisten wie hungrige Geier ihre Beute.
Das Landungsboot stürzte in ein weiteres Wellental und zwang Eric, die Beine noch breiter zu spreizen, während wieder Wasser auf ihn herabgischtete. Sie umkreisten die Insel seit zehn Minuten, während die Sonne heiß auf ihre Helme brannte und das Salz auf ihrer Haut trocknete, bis sie spannte. Über die Süllwände des Landungsboots hinweg starrten die Männer auf die dichte Vegetation hinter dem Strand, wo der Boden von Granaten umgepflügt wurde.
Plötzlich änderte das Boot den Kurs und lief in Richtung Ufer. Ein Torpedobomber der Marine Air Group flog mit tiefem Brummen über sie hinweg und überflog ein letztes Mal den vorgesehenen Landeplatz.
Rings um Davis würgten Männer und übergaben sich. Einige beugten die Köpfe über die Süllwände des Landungsboots und erbrachen sich ins Meer, andere hielten sich die kleinen Papiertüten vor den Mund, die man ihnen vor dem Borden ausgehändigt hatte. Davis beobachtete den Mann direkt neben sich, der vornübergebeugt stand und vergeblich mit der Hand vor dem Mund das Erbrochene festzuhalten versuchte, das ihm zwischen den Fingern hindurchquoll.
An diesem Morgen waren die Soldaten um drei Uhr geweckt worden. Die Jungs in der Messe der USS Pennsylvania hatten frisch gebügelte weiße Jacken getragen und Berge von Rührei mit Speck serviert, während aus den Bordlautsprechern Jazzmusik erklungen war. Wenn es beim Militär eine gute Mahlzeit gab, bedeutete dies üblicherweise, dass die Japse den Männern an dem betreffenden Tag mächtig einheizen würden. Erics Schiffskamerad Alabama pflegte zu sagen, dass eine anständige Mahlzeit immer nah bei einer letzten lag, ähnlich wie bei einem zum Tode verurteilten Gefangenen, der seine Henkersmahlzeit bekam, bevor er zum Galgen geführt wurde.
Ein Stück abseits auf See hielt die USS Galla Kurs, ein Truppentransporter aus Neuguinea. Sie hatte neun Leichen in Säcken dabei, die nach Hause verschifft und dort beigesetzt werden sollten. Jemand hatte vergessen, die Säcke weit genug hinten zu verstauen, sodass die Männer an Bord die Verwesung bis in ihre Quartiere riechen konnten.
Die meisten Marines hatten ihr Frühstück an den Metalltischen der Messe unter den nackten Glühbirnen schweigend eingenommen, während sie dem Dröhnen der Maschinen und dem dumpfen Geräusch der Wellen gelauscht hatten, die gegen den Rumpf schlugen. Nacht für Nacht lag Eric Davis in seiner Koje, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, während der Gedanke an den Tod auf irgendeiner gottverlassenen Insel fern der Heimat stärker in ihm geworden war. Eric, der an Bord der Galla gewesen war, bevor er auf die Pennsylvania gewechselt hatte, konnte den Tod schon wieder riechen. Er schien aus den Frühstückseiern aufzusteigen.
Eric dachte an zu Hause, und seine Gedanken wanderten zu Jessica. Am Kopfende seiner Koje hingen die drei Briefe, die er von ihr bekommen hatte, eng zusammengerollt in einer seiner Bandolieren. Er empfand ihre Handschrift als etwas Tröstliches, nicht so sehr wegen dem, was sie schrieb, sondern wegen ihrer Weiblichkeit, wegen der Form der Wörter selbst. Der vertrauten Art und Weise, wie jeder Buchstabe mit dem nächsten verbunden war.
Früher, vor dem Geruch
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