Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
Makler entfernte sich und kam nach einer Weile wieder mit einer Sklavin an seiner Seite, welche von schlankem Wuchse, feingeformtem Busen, glühend schwarzen Augen, feiner Taille, frischem Aussehen, süßem Atem, wohlgeformten Füßen und zarter Stimme war. Ein Dichter sagt von ihr:
»Sie ist wunderbar; die Schönheit ihres Gesichts gleicht Mond und Sternen; sie ist die Erste und Vornehmste aus ihrem Stamme und verdunkelt alle, so mit ihr aufgewachsen.«
»Gott, der erhabene Besitzer des Himmelsthrons, hat ihr die schönsten Güter des Lebens geschenkt: Hoheit, Anmut und schönen Wuchs.«
»An dem Himmel ihres Angesichts prangen sieben Sterne gleich den Wächtern ihrer Wangen.«
»Wenn ihr jemand durch begehrendes Anschauen Blicke entlocken will, so versengt sie ihn durch die Glut eines ihrer Sterne wie einen bösen Geist.« 2
Als der Vezier die Sklavin sah, bewunderte er sie sehr. Er wendete sich daher zu dem Makler und fragte ihn, welchen Preis der Kaufmann auf sie gesetzt habe. Der Makler antwortete: »Herr! er verlangt 10.000 Dinare und hat geschworen, daß sie allein für so viel junge Hähne gegessen und Wein getrunken habe, und daß diese Summe nicht einmal die Geschenke bezahle, die ihren Lehrern gemacht worden seien. Sie hat schön schreiben und zierlich reden gelernt; die arabische Sprache und ihre Regeln, die Erklärung des Korans, die Heilkunde, die Grundlehren der Theologie sind ihr bekannt; dazu spielt sie mancherlei Instrument.« Der Vezier ließ den Kaufmann rufen.
Da kam ein Perser, der schon manches Jährlein hinter sich hatte; die Zeit schien ihn hart mitgenommen und sein Glücksstern ihm nicht viel übrig gelassen zu haben; er glich einem alten Adler oder einer dem Einsturz nahen Mauer, und auf ihn paßten die Worte des Dichters:
»Wie heftig hat mich die Zeit erschüttert, die gewaltige, ernste Zeit! Einst konnte ich laufen, ohne zu ermüden; jetzt bin ich müde, ohne mich von der Stelle gerührt zu haben.«
Der Vezier sagte zu ihm: »Willst du diese Sklavin dem Sultan Suleimann für 10.000 Dinare verkaufen?« Der Perser antwortete: »Wenn sie für den Sultan bestimmt ist, so wäre es meine Pflicht, sie ihm ohne Geld als ein Geschenk zu überlassen.« Der Vezier ließ aber sogleich das Geld holen und dem Perser 10.000 Dinare vorwiegen.
Nachdem der Kaufmann mit seinem Gelde weggegangen war, wendete sich der Makler zum Vezier und sagte: »Ist es mir vergönnt, vor den Ohren unseres großen Veziers ein Wort zu reden?« Vadhleddin forderte ihn auf, zu sagen, was er habe, und der Makler fuhr fort: »Herr! da, wie ich vernommen habe, die Sklavin für den König bestimmt ist, so bin ich der Meinung, daß du sie ihm heute noch nicht vorführst: denn sie kommt eben angegriffen von der Reise, auf welcher sie ungünstigen Wind gehabt hat, und man sieht ihr die Ermüdung an. Laß sie daher lieber vierzehn Tage in deinem Palaste, bis ihre Reize wieder aufgefrischt sind; alsdann lässest du sie ins Bad führen, legst ihr die schönsten Kleider an und gehst mit ihr zum König. Dann wirst du große Ehre bei ihm einlegen.«
Der Vezier überlegte die Worte des Maklers und fand sie gut. Er ließ daher die schöne Perserin in seinen Palast bringen, wies ihr mitten in demselben ein besonderes Zimmer an. Er sorgte dafür, daß sie Tag für Tag Wein, junge Hähne und verschiedene schöne Kleider erhielt, und so verging einige Zeit.
Der Vezier hatte aber einen Sohn, der dem Rund des Mondes glich, mit leuchtendem Gesichte, roten Wangen, einem Mal darauf und jugendlichem Flaum wie Ambra, er entsprach dem Bilde, das ein Dichter von ihm entwarf:
»Er entzückt wie der Mond mit seinen Blicken; er ist schmiegsam wie ein Baumzweig, verführerisch, wenn er sich hin und her schaukelt.«
»Er glänzt wie Gold; nur seine Haare sind schwarz.«
»Süß ist sein ganzes Wesen; sein Wuchs gleicht einer Lanze.«
»So hart sein Herz ist, so zart ist die Bewegung seiner Glieder. O warum wechselt ihr nicht miteinander?«
»Wäre die Zartheit der Bewegung in seinem Herzen, er würde niemals eine Liebende grausam behandelt haben.«
»O du, der mich tadelt, weil ich ihn liebe, entschuldige mich doch; schon hat die Liebe einen zu festen Wohnsitz in meinem Herzen.«
»Niemand ist schuldig, als mein Blick und mein Herz; doch, wen klage ich an? bin ich es nicht selbst?«
Der Jüngling wußte nichts davon, wozu die Sklavin bestimmt war. Zu dieser aber hatte sein Vater gesagt: »Wisse, ich habe dich für den König Mohammed
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