Tausendundeine Nacht - Erwachsene Märchen aus 1001 Nacht
anderen Vorwande. Die übrigen taten desgleichen, einer nach dem andern, bis kein einziger von den zehn Freunden mehr übrig blieb. Als Nureddin allein war, rief er Enis Aldjelis zu sich und sagte ihr: »Siehst du, was mir zugestoßen?« und erzählte ihr, was ihm der Verwalter gesagt. Sie versetzte: »Deine Freunde und deine Familie haben dir oft Vorwürfe gemacht und du hast ihnen kein Gehör geschenkt. Auch ich wollte längst dir Vorstellungen machen, aber ich schwieg wieder, als ich folgende Verse von dir hörte:
»Wenn das Glück dich begünstigt, so teile von seinen Geschenken aller Welt mit, bevor es entflieht.«
»Freigebigkeit wird es nicht erschöpfen, wenn es dir wohl will, und Geiz wird dich nicht schützen, wenn es sich wegwendet.«
Nureddin sagte hierauf: »Weißt du nicht, daß ich mein Gut für meine zehn Freunde verschwendet habe? Ich glaube nicht, daß sie mich hilflos lassen werden.« »Herr!« entgegnete Enis Aldjelis, »sie werden dir, bei Gott, nichts nützen.« Nureddin sagte: »Ich will sie sogleich alle besuchen, vielleicht erlange ich doch so viel von ihnen, daß ich ein Handlungsgeschäft gründen kann, denn ich werde nicht mehr Zerstreuungen nachgehen.«
Nureddin machte sich sogleich auf den Weg, um das Quartier der Stadt aufzusuchen, in welchem alle seine zehn Freunde wohnten. Als er an der Türe des ersten anklopfte, erschien eine Sklavin und fragte, wer er sei, der Einlaß begehre. »Sage deinem Herren«, antwortete Nureddin, »Nureddin Ali, der Sohn des verstorbenen Veziers Vadhleddin, läßt ihm seinen Gruß vermelden und küßt ihm die Hand.«
Die Sklavin meldete Nureddin. Ihr Herr schrie sie an: »Geh’, sag ihm, ich sei nicht zu Hause.« Die Sklavin kam zurück und sagte Nureddin, ihr Herr wäre nicht zu Hause. Nureddin murmelte vor sich hin: Ha, der schändliche Mensch läßt sich vor mir verleugnen! Sie werden nicht alle sein wie dieser Verworfene. Er ging weiter und klopfte an die Türe eines anderen Freundes. Abermals kam eine Sklavin heraus und fragte ihn um seinen Namen. Nachdem sie ihn erfahren hatte, ging sie hinein, ihn zu melden. Bald darauf kam sie wieder zurück, und abermals mußte er hören: »Mein Herr ist nicht zu Hause.«
Ali fand die Sache lächerlich und sagte: Nun, unter den acht übrigen wird doch gewiß einer sein, bei dem ich Hilfe finde. Aber auch an der dritten Türe wurde er mit denselben Worten abgewiesen.
Jetzt erst ging Nureddin in sich und erkannte seine Torheit, laut jammernd und mit Tränen in den Augen sprach er folgende Verse:
»Der Mensch zur Zeit seines Glücks gleicht einem Baume: so lange er Früchte hat, sammeln sich die Leute um ihn;«
»Sind aber diese abgenommen, so gehen sie davon und überlassen ihn den Stürmen und dem Staube.«
»Pfui über die Menschen dieser Zeit! sie sind alle gemein und schlecht; unter zehn ist nicht einer gut.«
Als Nureddin mit verdoppeltem Schmerze bei der schönen Perserin eintrat, sagte sie. »Nun Herr! bist du jetzt von der Wahrheit dessen überzeugt, was ich dir vorausgesagt habe?« – »Ach,« rief er aus: »Nicht einer hat mich erkennen, mich sprechen wollen!« – »Nun«, sagte die Sklavin, »verkaufe von den Gerätschaften des Hauses, bis Gott der Erhabene uns anderes beschert.« Nureddin begann nun allerlei Mobilien und Hausgerätschaften zu verkaufen, bis ihm endlich nichts mehr übrig blieb. Er ging dann zu seiner Sklavin und sagte ihr: »Was bleibt uns jetzt noch zu verkaufen übrig?« »Mein Herr!« erwiderte die Sklavin. »Ich rate dir, sogleich auf den Bazar zu gehen und mich zu verkaufen. Du weißt ja, daß dein seliger Vater mich für 10.000 Dinare gekauft hat, vielleicht wirst du mit Gottes Hilfe eine annähernde Summe für mich lösen und will die göttliche Bestimmung, daß wir uns wieder vereinigen, so wird es auch geschehen.« – »O Enis Aldjelis!« rief Nureddin, »bei Gott, mir fällt es schon schwer, nur eine Stunde getrennt von dir zu leben.« »Mir geht es nicht anders«, versetzte die Sklavin, »aber die Not hat ihre bestimmten Gesetze, wie ein Dichter gesagt:
»Die Not treibt den Menschen oft auf Wege, die sonst dem feinen Leben nicht ziemen.«
»Wer sich zu etwas Gewalt antut, tut es nur, wenn ein überwiegender Grund dazu vorhanden ist.«
Er machte sich dann auf, nahm Enis Aldjelis an die Hand, Tränen rollten über seine Wangen wie Regentropfen, dann sprach er folgende auf seinen Zustand passende Verse:
»Noch einmal, ehe du dich trennst, beglücke mich mit
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